Greenpeace-Aktion beim Ozonkiller Nr. Eins

120 AktivistInnen der Umweltschutzorganisation besetzten das Werk der KALI-Chemie AG in Bad Wimpfen / Halone sollen noch gefährlicher als FCKWs sein / Statt Diskussionen bevorzugt die Werksleitung den Polizeieinsatz und läßt starke Polizeikräfte auffahren  ■  Aus Bad Wimpfen Bernd Siegler

Zwei Busse fahren bis zur Pforte der KALI-Chemie AG in Bad Wimpfen bei Heilbronn vor. Bevor der Pförtner überhaupt reagieren kann, strömen 120 in weiße Overalls gekleidete Greenpeace-AktivistInnen auf das Werksgelände. Sie besetzen in Windeseile die Abfüllanlagen, ketten sich auf Tankwagen an und entrollen in luftiger Höhe ein zehn mal zwölf Meter großes Transparent: „Hier zerstört die KALI-Chemie Ozonschicht und Klima.“

Für Greenpeace-Sprecher Wolfgang Lohbeck ist die KALI -Chemie AG, Tochtergesellschaft der „Solvay & Cie S.A.“ in Brüssel, nicht irgendeine Firma: „Das ist Deutschlands Ozon und Klimakiller Nummer Eins“. Die Firma rangiert zwar in der Jahresproduktion von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) mit 51.183 Tonnen im Jahr 1988 knapp hinter der Hoechst-AG. In der ozonzerstörenden Wirkung wird die KALI-Chemie in der Bundesrepublik jedoch von niemandem übertroffen. Verantwortlich dafür sind die im Werk Bad Wimpfen produzierten Halone. Das sind bromierte Chlorkohlenwasserstoffe, die als Feuerlöschmittel Verwendung finden. Die Sorte „1211“, die vor allem in mobilen Feuerlöschern verwendet wird, hat das dreifache Ozonabbaupotential im Vergleich zu den gebräuchlichsten FCKWs. Insgesamt werden im Werk Wimpfen jährlich über 4.000 Tonnen Halone produziert. Die genauen Zahlen hütet die Firmenleitung in Hannover wie ein Staatsgeheimnis. Dem Bundesumweltministerium wollte die Firma nicht einmal bei der Anhörung zum geplanten FCKW-Verbot im Januar die genauen Zahlen preisgeben.

Nicht nur die Geheimniskrämerei und die unveränderte Produktionshöhe haben Greenpeace veranlaßt, das Werksgelände in Bad Wimpfen „aufzusuchen“. Insbesondere die aggressive Verkaufsstrategie von KALI-Chemie ist der Umweltschutzorganisation ein Dorn im Auge. Weiterhin preist die Firma Halone als „umweltfreundlich“ an und verteilt kleine „Demonstrationspäckchen“ an den Schulen unter dem Motto „Probieren geht über Studieren - Die kleine Löschdemonstration im Klassenzimmer“. Die Wirkung von Halonen auf die Ozonschicht und die längst erwiesene Ersetzbarkeit als Löschmittel durch andere Substanzen wird dabei verschwiegen. Laut Greenpeace steigen derzeit selbst die Berufsfeuerwehren bundesweit aus der Halonanwendung aus, während der ADAC weiterhin Halonfeuerlöscher empfiehlt. Im November letzten Jahres hat die KALI-Chemie sogar ihre Kunden schriftlich aufgefordert, beim Umweltministerium Einspruch gegen die Novellierung der Bundesimmissionsschutzverordnung zu erheben, weil sie die weitere Produktion von FCKW tangiert. „Wenn Sie sich betroffen fühlen, sollten Sie umgehend handeln.“

Die Beschäftigten der KALI-Chemie in Bad Wimpfen reagierten zunächst gelassen auf den ungebetenen Besuch der Umweltschützer. In Diskussionen, lediglich gestört von Tieffliegern, die über das Werksgelände donnern, versuchen sie vor allem das Arbeitsplatzargument in die Waagschale zu werfen. „Sie riskieren mit ihren Forderungen 400 Arbeitsplätze hier in Bad Wimpfen“, entgegnet ein Produktionsingenieur den Zahlen zur Zerstörung der Ozonschicht, die eine Greenpeace-Aktivistin aus Hamburg vorträgt. „Glauben Sie, daß KALI-Chemie die Weltregierungen beeinflussen kann?“ sucht ein Arbeiter seinen Arbeitgeber zu entlasten. „Was kann denn die KALI-Chemie dafür, wenn die Leute diese Produkte wollen?“ fragt ein anderer.

Auf die Forderungen von Greenpeace nach dem „sofortigen Ausstieg aus der FCKW- und Halonproduktion bis Mitte dieses Jahres“ wollen sich erwartungsgemäß weder Beschäftigte noch Werksleitung einlassen. Werksleiter Helberg bevorzugt die polizeiliche Lösung und stellt Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs. Polizeikräfte aus ganz Baden-Württemberg werden anschließend zum Werk Wimpfen geordert. Eine Entscheidung über das polizeiliche Vorgehen ist bei Redaktionsschluß noch nicht gefallen.