: Ost-Agenten ohne Rente
■ Bundesregierung will Eingliederungshilfen für Aus- und Übersiedler kürzen / Vor allem Rentner sind betroffen
Berlin (taz/dpa) - Die Bonner Regierung plant eine Kürzung der Eingliederungshilfe für Aus- und Übersiedler. Eine Arbeitsgruppe der Regierungskoalition will vorerst zwar grundsätzlich am Eingliederungsprinzip festhalten. Kürzungen für Übersiedler sind aber vor allem im Bereich der Renten, der Ausbildungsförderung und bei Kredithilfen im Gespräch. Der Koalitionsspitze soll dazu Mitte Februar ein entscheidungsreifes Paket von Vorschlägen vorlegt werden.
In der Arbeitsgruppe aus Vertriebenen- und Sozialpolitikern wird auch an die Abschaffung des Einrichtungsdarlehens gedacht. Um weiter eine mißbräuchliche Nutzung von Sozialleistungen auszuschließen, soll voraussichtlich nächste Woche ein bilaterales Melde- und Amtshilfeabkommen mit der DDR geschlossen werden.
Zwei Rentenmodelle sind im Gespräch. Zum einen könnten Übersiedler-Renten grundsätzlich um 20Prozent gekürzt werden. Höchstgrenze sollten etwa 1.500 Mark sein. Zum anderen könnten DDR-Renten via Kaufkraftausgleich aufgestockt werden. Eine DDR-Rente würde so von 500 Ost-Mark auf etwa 750 West-Mark erhöht.
In Sachen Stasi-Renten hat sich der Stammtisch durchgesetzt: Rückwirkend zum 1.Februar sollen ehemalige Mitarbeiter des DDR-Staatssicherheitsdienstes aus der Rentenversicherung ausgeschlossen werden. Eine entsprechende Änderung des Fremdrentenrechts (FGG) wurde am Mittwoch von der Bundesregierung beschlossen. Mit dem Gesetzentwurf soll den Personen ein Anspruch aberkannt werden, die in ihrem Heimatland einem „System politischer Unterdrückung (...) erheblich Vorschub geleistet haben“. Der Entwurf aus dem Hause Blüms soll noch im Frühjahr im Bundestag verabschiedet werden. Die SPD nannte den Gesetzentwurf „mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig“. Der SPD-Abgeordnete Günther Heyenn gab zu bedenken, daß das Sozialstaatsprinzip die Sicherheit und Verläßlichkeit von sozialrechtlichen Ansprüche verlange - und zwar unabhängig vom persönlichem Wohlverhalten. Er verwies auf Art.131 des Grundgesetzes, mit dem auch Beamten, die unter den Natinalsozialisten gearbeitet haben, Rentenansprüche eingeräumt wurden. Als einziges Motiv sieht Heyenn, „daß die Bundesregierung den Volkszorn über die Stasi ausnützen möchte, um bei den Stammtischen Punkte zu machen“.
Arbeitsminister Blüm verteidigte seinen Entwurf. Die geplante Regelung lehne sich an ähnliche Ausschlußvorschriften beim Vertriebenengesetz und beim Lastenausgleich an. Blüm formulierte populistisch, daß das Fremdrentenrecht schließlich „für Verfolgte und nicht für Verfolger“ gedacht sei.
Wolfgang Gast
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