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Mietpreisbindung - erster Schritt zur Hauptstadt?

■ Es tröpfelt auf den heißen Stein: Forderungen und Ideen zur Bekämpfung der Wohnungsnot gibt es bei AL und SPD viele - aber nur Bonn kann die Explosion der Mieten in der möglichen künftigen Haupt- und Olympiastadt per Mietpreisbindung wirklich stoppen

Die Goldmedaille im Container-Bau scheint Berlin im vorolympischen Jahrzehnt sicher, wenn nicht umgehend einschneidende Veränderungen in der Wohnungspolitik durchgesetzt werden. In Anlehnung an die Bundesratsinitiative von Bausenator Nagel forderte nun auch Sozialsenatorin Ingrid Stahmer die Wiedereinführung der Mietpreisbindung. Die Sozialverwaltung plane zudem, per Ausführungsvorschrift die Wohnsituation von Sozialhilfeberechtigten zu verbessern. So soll unter anderem bei der Kostenübernahme die Miete im sozialen Wohnungsbau in Zukunft „grundsätzlich als angemessen“ angesehen werden.

Stahmers Forderung nach Wiedereinführung der Mietpreisbindung wurde mit Blick auf die Zuständigkeit des Bundes und die dortigen Mehrheitsverhältnisse allerdings skeptisch beurteilt. „Dafür ist der weitere Machtverlauf in Bonn entscheidend“, erklärte Peter Ließmann vom Arbeitskreis Wohnungsnot. Trotz zufriedenstellender Resonanz auf die eben beendete Aktionswoche zum Wohnungsnotstand sieht Ließmann massive Probleme „durch die Magnetwirkung der Stadt seit dem 9.November“ auftreten. Unter Hinweis auf die notdürftige Unterbringung von rund 30.000 Aus- und Übersiedlern sowie Flüchtlingen in Containern, Heimen oder Wohnwagen, teilte Stahmer noch einmal Kritik am Vorgängersenat aus - der für „die zum Teil vorhersehbaren Umstände keine Vorsorge getroffen habe“. Maßnahmen, die über die bisherige Politik weit hinausgehen, fordert die AL-Fraktion. Sie verlangt vom Senat, den gesetzlichen Rahmen auszuschöpfen und sich die Belegungsrechte für rund 400.000 Wohnungen im sozialen Wohnungsbau zu sichern. Auf diese Weise will der sozialpolitische Sprecher der AL, Haberkorn, eine gezielte Bevorzugung von Wohnungslosen und sozial Benachteiligten erreichen - auch im Hinblick auf eine mögliche Gesamtstadt Berlin. Man müsse sich langsam an den Gedanken gewöhnen, daß Berlin eine Stadt wie Paris mit großen Vororten werde.

Um unter diesen Voraussetzungen eine Ghettoisierung zu verhindern, hält Haberkorn „solch dirigistische Maßnahmen für unbedingt nötig, sonst sind die Notunterkünfte, die vor fünf Jahren gebaut wurden, in zehn Jahren institutionalisiert“. Wäre das Problem der Wohnungslosigkeit nicht bis zur Olympiade beseitigt, steht zu befürchten, daß sich eine wie auch immer geartete Berliner Regierung an der Partnerstadt Los Angeles ein Beispiel nimmt: Als sich dort 1984 die Jugend der Welt zum sportlichen Doping- und Medienspektakel versammelte, wurden die Obdachlosen für die Dauer der Wettkämpfe aus der Stadt geworfen.

anb

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