: Blick ins Innere des Huhns
■ Installation zur „Weiblichen Ästhetik“ auf vier Monitoren
Zunächst einmal ist da ein nacktes Huhn, das mit erschreckender Schamlosigkeit die Beinchen spreizt, wie es das in jeder Kühltruhe tut. Aber das Huhn hat die Kühltruhe bereits verlassen, es liegt auf dem Teller. Keine schützende Folie mehr, die es umhüllt, es wird befingert, an den Beinchen wird gerissen und gezerrt , es wird geölt und gesalzen und schließlich wird ihm der Unterleib massakriert. Die zerschnittenen Organe stopft man in den geschundenen Leib zurück, und dann wird alles im vorgeheizten Backofen schön knusprig. So einfach ist das.
Ein recht ungewöhnliches Rezept zu „weiblicher Ästhetik“, das die drei Filmklässlerinnen der Hochschule für Künste (HfK) ausgekocht haben. Auf vier Monitoren haben Anja Telscher, Anne Schlöpke, Barbara Thiel
und Bettina Vogelsang ihre „weibliche Ästhekik“ installiert. „Ovulation, Pollution, Produktion, Gratulation“, ist der Titel dieser in jeder Hinsicht ungewöhnlichen Produktion, in der „Pollution“ nicht etwa für Verschmutzung der Umwelt, sondern für den männlichen Samenerguß im Schlaf steht.
„Chicks“ gleich Frauen, „bimbo“ gleich junge Frau, „boy of the boat“ für Klitoris - erstaunliches männliches Vokabular zur Sexualität haben die vier Frauen aufgetan und mitinstalliert. Und so würzen die verbal-chauvinistischen Armutszeugnisse aus dem amerikanischen Sprachgebrauch die Bilder wie vorher das Salz das wehrlose Huhn.
„Wir sind während der Arbeit immer radikaler geworden“, räumen die Macherinnen ein, „weib
liche Ästhetik“ als Oberthema allein war ihnen ohnehin suspekt. „Wir wollen nichts auf die weinerliche Tour machen.“ Mutig rüttelt neben dem Huhn dann auch der fleischfarbene Vibrator in seiner Armseligkeit herum, und der Herr mit Hut sinniert angesichts eines lebenden Chicks: „Sie muß denken, daß ich ein Hahn bin, so lange sie denkt, daß ich ein Hahn bin, läuft sie nicht weg.“ Ist das Huhn dann gestopft , gebraten und hübsch garniert, sitzt seine Schwester, die attraktive Blondine, auch schon auf dem Barhocker und wartet lächelnd darauf, daß „Mann“ sie vernaschen möge. Und wer kann dazu schon nein sagen.
Lauthals tat das jedenfalls nur der Kurze auf Papis Schoß, der der Meinung war: „Da kommt ja gar nichts.“
Kerstin Dreyer
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