: Frau Irene schweigt zur Hauptstadt
Frau Irene SCHWEIGT ZUR HAUPTSTADT
Nun gut - dann spielen wir jetzt halt mal wieder für ein paar Jahre die Hauptstadt, obwohl wir ja eigentlich noch gar nicht wieder dran wären. Aber für die Zukunft müßte da eine ordentliche Regelung her: wie, wer, wann, wem die Hauptstadt macht.
Sachstand: Das mit der DDR ist schief gegangen. Soziale Errungenschaften auf Kosten von allen und jedem - geschenkt bzw. Klärschlamm drüber! Muß man wirklich nicht noch konservieren: eingegangen in Urinen. Sollen ihren Kapitalismus haben, kann man ja verstehen! Werden dann schon sehen.
Aber daß wir dann nicht mehr sozialistisch experimentieren lassen können dürfen sollen, daß wir nicht noch mindestens einen weiteren Freilandgroßversuch frei hätten - das ist doch wirklich überhaupt nicht einzusehen! Wo jetzt gerade alles so nett hätte werden können und ganz von vorne und viel besser und überhaupt. Und da sollen wir stattdessen ernsthaft drüber nachdenken, wie man nach eigenem Vorbild die Zone am schnellsten und am nachhaltigsten einschläfert, von wegen: es herrscht ein enormer Nachschnarchbedarf. Wenn
-wie hier - Revolution Opium für das Volk ist, dann ist Baldrian für alle das erste Etappenziel und die Valimumifizierung Gesamtdeutschlands die letztendliche Verwirklichung der endgültigen Abwesenheit von Unglück. Ost konjugiert West - gemeinsam sind wir unbeweglich.
Damit also unsere Brüder-und-Schwestern-Verdammten-dieser -Erde nicht umsonst gewacht haben, ergeht folgender Vorschlag: In Zukunft gibt's Zonen nur noch dezentral und im Rotationsprinzip, wobei die Zonenzeit angesichts allfälliger Verschnellung von bisher 40 auf jetzt 20 Jahre gesenkt wird. Als nächstes ist Bayern dran. Nicht nur der Einfachheit halber, weil hier schon ein relativ gut abgegrenzter Claim besteht, sondern weil - nachdem in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg soeben der nahtlose Übergang vom Faschismus zum Sozialismus empirisch gezeigt wurde - hier die Spontanmetamorphose vom Feudalismus zum Kopulismus praktisch erprobt werden könnte. Als nächstes käme Schleswig-Holstein unter dem Arbeitstitel: Vom Korrumpismus zum Populismus und Post-Priapismus. Dann Baden -Württemberg mit „Von der inviduellen Furzklemmerei zum interstellaren Ich-bin-so-frei“ usw. usw.
Entsprechend müßte natürlich auch immer ein Teil der jeweiligen ehemaligen Landeshauptstädte unter nördlicher, bzw. südlicher, bzw. östlicher Verwaltung bleiben. Der Rest würde „Hauptstadt-der-Zone“. So gehörte etwa das mitten in der Südzone gelegene München-Schwabing zum Norden, das nordzonale Kiel-Schilksee zum Süden und Stuttgart-Heslach, obwohl eigentlich in der Westzone, zum freien Osten. Zur Belohnung für die Ableistung der Zonenzeit, um eine gewisse postzonale innovative Energie produktiv nutzbar zu machen einerseits und um andererseits die Gefahr der Megalomanie bei chronischem Metropolismus einzudämmen, würde dann anschließend jeweils die ganze Stadt Hauptstadt des ganzen Landes werden, und zwar jeweils wieder für 20 Jahre - gerade so lange, bis die nächste Zone fertig ist und ihrerseits die Hauptstadt stellt usw.
Mit einem Wort: Das bißchen Hauptstadt bis zum Jahr 2010 halten wir hier in Berlin doch locker durch. Dann kommt ja ohnehin München dran.
Gabriele Riedle
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