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Demokratie ist, was uns paßt

■ Bonner Parteien entrüstet, daß sie ihre Zugpferde nicht in die DDR-Wahlschlacht führen dürfen / Man will sich über die Entscheidung einfach hinwegsetzen

Bonn (taz) - Am Runden Tisch in der DDR hat sich zwar eine satte Mehrheit gegen Wahlkampfauftritte bundesdeutscher Politiker ausgesprochen. Das paßt denen aber nicht und ist drum keine Demokratie. Quatsch? Taz-typische Übertreibung? Man lese und höre, wie Bonn den Entschluß kommentiert: „Nicht verständlich“ findet ihn Volker Rühe, Generalsekretär der CDU. Das seine Partei sich über das Abstimmungsergebnis hinwegsetzen wird scheint ihm nur selbstverständlich, hat die von uns abhängige DDR doch sowieso nichts zu melden: „Die Bundesrepublik übernimmt bei der wirtschaftlichen und finanziellen Unterstützung der DDR eine Mitverantwortung. Da ist es nur natürlich, daß auch die Parteien im Blick auf eine gesamtdeutsche Zukunft zusammenarbeiten.“ So weit, so dezent im Vergleich zu anderen Stellungnahmen. Die Bundesregierung erwarte von dem Beschluß „keine nennenswerte und sehr beeindruckende Wirkung“ auf die Parteien. Zu einer freien Wahl gehöre auch die Freiheit, sich Parteisprecher aus anderen Ländern einzuladen. Dies tat gestern Regierungssprecher Vogel kund. Und das ist nur allzu glaubwürdig: Es gebe Beschlüsse, die könnten nicht eingehalten werden und um letzteren durchzusetzen habe die DDR sowieso kein Mittel. So befand etwa Generalsekretärin Schmalz-Jacobsen. Auch FDP-Sprecher Goebel kündigte unverhohlen an, daß seine Partei die demokratische Entscheidung einfach ignorieren wird. Maßgebend blieben für die FDP die Wünsche ihrer Partner in der DDR. Pikant, übrigens, daß gerade der Liberalen-Sprecher die „Aussperrung“ westlicher Politiker beklagt.

Jürgen Warnke (CSU) schloß von sich auf andere und erklärte, der Runde Tisch wolle sich abschotten und den Wahlkampf in der DDR als „Privatjagd“ einstufen. Frau Fuchs, SPD-Bundesgeschäftsführerin, bangt um die Vision einer gesamtdeutschen sozialdemokratischen Regierung. Die SPD, kündigte sie an, werde auch in den kommenden Wochen den Kontakt zu den Sozialdemokraten pflegen und sie auf ihren Veranstaltungen vor Ort besuchen. Begrüßt haben die Entscheidung des Runden Tisches allein die Grünen.

Ferdos Forudastan

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