piwik no script img

Keine Wasserträger für die Etablierten

Sieben Radfahrer aus der DDR versuchen in dieser Saison ihr Glück bei den Profis / Traumziel: Tour de France  ■  PRESS-SCHLAG

Sieben der besten DDR-Radsportler haben inzwischen das Lager gewechselt. Nach Olaf Ludwig, Uwe Ampler, Jan Schur, Uwe Raab, Mario Kummer und Olaf Jentzsch unterschrieb vergangene Woche auch Sprint-Vizeweltmeister Michael Hübner einen Profivertrag bei einem belgischen Rennstall. Der Verband der DDR wird nun nicht mehr umhin können, ebenso wie Polen, die UdSSR und die CSSR, einen Antrag auf Eingliederung in den Internationalen Radsportverband der Profis (FICP) zu stellen.

Der Abschied aus der DDR wurde den Weltmeistern und Olympiasiegern, die in Zukunft für harte Währung in die Pedale treten wollen, leicht gemacht. Nicht, daß die Oberen des DDR-Radsports Freudentänze aufführten. Im Gegenteil. Sie zeigten keinerlei Verständnis für den Wunsch der Sportler und erwiesen sich als so undankbar und übertrieben bürokratisch, daß sie den Entschluß der Sportler nur bekräftigten.

Dieter Krause, Generalsekretär des DDR-Radsportverbandes, drohte mit den geltenden Devisenbestimmungen und resümierte: „Wir müssen ihre Entscheidung akzeptieren, respektieren kann ich sie aber nicht.“ Was dem 25jährigen Leipziger Uwe Ampler - Weltmeister 1986, Goldmedaillengewinner im Vierer in Seoul und dreimaliger Gesamtsieger der Friedensfahrt - die Retourkutsche entlockte: „Wenn mich jemand nicht respektiert, dann will ich mit dem auch nichts mehr zu tun haben.“

Doch Krause steht mit seiner Meinung keineswegs allein auf weiter Flur. Mannschaftsolympiasieger Jan Schur, der künftig für einen italienischen Rennstall startet, mußte sich von seinem Vater „Täve“ - in den fünfziger- und sechziger Jahren gefeiertes Rad-Idol der DDR - böse Worte gefallen lassen. „Es ist nicht gut, wenn alle des Geldes wegen in den Westen gehen“, wetterte der einstige Meisterfahrer.

Dabei wird jedoch übersehen, daß den erfolgreichen Fahrern auch neue sportliche Herausforderungen winken. Bei einem Verbleib im Amateurlager hätte ihnen vermutlich die Motivation gefehlt, da sie alle wichtigen internationalen Rennen schon mehrfach gewonnen hatten.

Als Uwe Ampler zur Unterschrift nach Holland reiste, wurde ihm sogar der Wunsch erfüllt, einen weiteren DDR-Fahrer mit ins Team bringen zu dürfen. Amplers Wahl fiel auf seinen langjährigen Leipziger Mannschaftskameraden Uwe Raab, der bereits 1983 den WM-Titel der Amateure in die DDR geholt hatte. Angetan zeigten sich Ampler und Raab von der Herzlichkeit, mit der sie im Team aufgenommen wurden, von der Lockerheit des Umgangs mit den etablierten Profistars wie Sean Kelly oder Erik Breukink.

Nach dem ausgedehnten Konditionstraining in der Langlaufloipe im österreichischen Zell am See brennen die beiden Neulinge jetzt auf ihren ersten Renneinsatz. „Ich brauche nicht den Wasserträger für die Etablierten zu spielen. Mein Coach Jan Gisbers will aus mir einen Weltklasse-Profi machen“, verkündet Uwe Ampler selbstbewußt.

Der Traum eines jeden Radrennfahrers, einmal die Tour de France zu fahren, kann für Ampler und Raab schon im Juli in Erfüllung gehen. Bis dahin müssen sie sich aber noch an die rauhe Luft im Profigeschäft gewöhnen. Das größte Problem sieht Olaf Ludwig, Olympiasieger von Seoul und mehrere Male zum weltbesten Radamateur gekürt, in den längeren Distanzen bei den Berufsfahrern. Der 29jährige Geraer hat einen Vertrag im Rennstall des angesehenen Peter Post unterzeichnet, jenes Mannes, der 1977 Dietrich Thurau groß herausbrachte. „Ich will's halt mal probieren“, sagt Ludwig, der sich selbst für das erste Lehrjahr im neuen Metier keinerlei Erfolgsdruck auferlegen will und von seinen prominenten Teamkollegen Rooks, Theunisse und Freuler noch manchen hilfreichen Tip erwartet.

Erste Aufschlüsse über das Leistungsvermögen der DDR-Asse kann die 6-Etappen-Fahrt „Ruta del Sol“ in Andalusien bringen, die gestern begann. Die Profineulinge Ampler und Raab kämpfen dabei Seite an Seite mit Tour-de-France-Sieger Greg LeMond bis zum Sonntag um den ersten Rundfahrtsieg der neuen Straßensaison.

Peter Mohr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen