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„Falscher Hase“ im Hanauer Atomsumpf

Schönte die Ex-Brennelementefabrik Nukem das Probematerial, mit dem die Umgebung ihrer kerntechnischen Anlagen überwacht wurde? / Spielte das hessische Umweltministerium dabei mit? / Hanauer UmweltschützerInnen stellten auf eigene Faust Untersuchungen an  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Hanau (taz) - Sie kamen mit Sandschäufelchen und kleinen Körbchen - „wie zum Ostereier- oder Pilzesuchen“. Doch die UmweltschützerInnen, die mit ihren Kindern im Sommer '89 vor der verbarrikadierten Atomgemeinde in Hanau in der Erde buddelten und Moos und Huflattich sammelten, kamen nicht aus Vergnügen: die Proben aus dem Umgebungsbereich vor allem der Ex-Brennelementefabrik Nukem wurde an ein Institut der Universität Bremen verschickt. Dort sollten die Wissenschaftler das eingesandte Material analysieren und beweisen, was die Hanauer UmweltschützerInnen um den Grünen Hartmut Barth-Engelbart seit Jahren befürchten: daß die Umgebung der Hanauer Atomfabriken hochgradig radioaktiv verseucht ist. Huflattich und Moose seien schließlich die besten Bioindikatoren für radioaktive Isotope. Und die Bremer Wissenschaftler, die zunächst die „unwissenschaftliche Probenentnahme“ monierten, wurden fündig.

Das Untersuchungsmaterial habe „deutlich höher“ gestrahlt, als man „aufgrund der natürlichen Radioaktivitätsbelastung der Umwelt“ hätte annehmen müssen. Eine exakte Bestimmung der Strahlungsintensität einzelner Isotope sei jedoch nur nach einer ordentlichen Probeentnahme möglich.

Diese „allgemeine Aussage“ (Bart-Engelbart) der Bremer Wissenschaftler steht in krassem Gegensatz zu den Überwachungsberichten der Hessischen Landesanstalt für Umwelt (HLfU), die den Hanauer Betrieben Jahr für Jahr bescheinigte, daß durch ihre Emissionen „keine signifikante Erhöhung des natürlichen Strahlenpegels“ zu erkennen sei.

Dieser Widerspruch animierte die Hanauer UmweltschützerInnen zu weiteren Recherchen. Das Ergebnis: zumindest die Ex-Brennelementefabrik Nukem hat jahrelang selbst gezogene Proben zur Untersuchung an die atomfreundliche „Gesellschaft für Strahlen und Umweltforschung GmbH“ in München verschickt. Deren Ergebnisse fanden dann Eingang in die Unbedenklichkeitsberichte der HLfU - ein „klarer Verstoß gegen die geltenden Richtlinien, die eine Probeentnahme durch einen unabhängigen Analytiker zwingend vorschreiben“, wie Bart-Engelbart gegenüber der taz erklärte.

Nukem bereitete die Proben vor, Nukem verschickte die Proben und Nukem schoß wohl auch den Hasen, der jetzt als „falscher Hase“ in Hanau Schlagzeilen macht. Im Jahre 1 nach Tschernobyl erlegte die Nukem - angeblich vor den Werkstoren - nämlich einen Mümmelmann, den sie anschließend dem Landesgesundheitsamt in Südbayern zustellte. Das Amt analysierte die „Fleischprobe“, und seine Unbedenklichkeitsbescheinigung fand anschließend gleichfalls Eingang in den Untersuchungsbericht des hessischen Umweltministeriums für 1987. Ob der Hase tatsächlich aus Hanau-Wolfgang stammte oder ob er nicht vielleicht friedlich durch den schönen Vogelsberg hoppelte, kann natürlich im Nachhinein nicht mehr geklärt werden. Immerhin weiß Bart -Engelbart, daß die Nukem-Topmanager bevorzugt in den ausgedehnten Jagdrevieren des Wetteraufürsten von Ysenburg im Vogelsberg „wildern“.

Die Hanauer UmweltschützerInnen haben „zusammen mit Fachleuten“ auch Proben aus dem Klärwerk in Hanau -Kesselstadt und aus der Deponie Gründau-Lieblos entnommen, auf die der angeblich „geklärte“ Schlamm aus den Nuklearbetrieben seit Jahren gekippt wird. Die Analyseergebnisse auch dieser Proben seien „alarmierend“ im Gegensatz zu den „Persilscheinberichten des Herrn Weimar“. Aufgrund der offensichtlichen Verstöße gegen die Richtlinien zur Emissions- und Immisionsüberwachung kerntechnischer Anlagen fordern die HanauerInnen jetzt eine sofortige flächendeckende Untersuchung von Böden, Fauna, Flora, Grundwasser, Trinkwasser, Abwasser, Klärschlämmen, Deponiekörpern und Altlasten in Hanau und Umgebung durch „unabhängige Betreiber und Genehmigungsbehörden“. Der Hanauer Oberbürgermeister Hans Martin (SPD), der bislang alle Forderungen nach eingehenden Untersuchungen der Umgebung der Atombetriebe abblockte, hat inzwischen die Flucht nach vorne angetreten: Ein Untersuchungsausschuß des Stadtparlaments soll jetzt zumindest die vermutete Plutoniumkontaminierung des Grundwassers untersuchen.

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