piwik no script img

Big-Matt war ein wenig matt

Weltrekordler Matt Biondi wurde beim NOK-Schwimmfest abgehängt - DSV-Schwimmer bekamen drei Siege ab  ■  Aus Ost-Berlin Michaela Schießl

Da halfen weder die Begrüßungstransparente „Hi Matt, welcome to Berlin!“ noch die Sympathiekundgebungen der rund 1.000 Zuschauer im Ostberliner Sportforum für den 24jährigen US -Superschwimmer Matt Biondi, Weltrekordhalter über 50 und 100 Meter Freistil und fünffacher Olympiasieger von Seoul. Denn Matt war matt. Der derzeit schnellste Mensch im Wasser kraulte beim 36. NOK-Schwimmfest im 50-Meter-Finale nach einem schwachen Start hinter Nils Rudolph aus der DDR her, der mit 22,48 Sekunden den Europarekord nur um eine Hundertstelsekunde verpaßte. Auf diese Art entging der US -Weltrekordler (22,12 sek.) immerhin der eher peinlichen Siegerehrung, die im Schnellverfahren von einem sparsam bekleideten Funkenmariechen mit weißen High-Heels auf glitschigen Fliesen vorgenommen wurde. Nur die Siegerinnen und Sieger erhielten nämlich die in hübsche Schächtelchen verpackten Gaben des Deutschen Schwimmsport-Verbandes der DDR (DSSV).

Tapfer ertrugen drei Teilnehmer vom Deutschen Schwimm -Verband (DSV) das Zeremoniell: Peter Sitt (Köln) war über die 200 Meter Freistil in 1:49,63 Minuten schneller als je zuvor und gewann die Konkurrenz, ebenso wie Mark Warnecke (Dortmund) über 100 Meter Brust (1:03,24) und Martin Hermann (Köln) über 100 Meter Schmetterling (54,80 Sekunden).

Matt Biondi konnte dagegen überraschend gut verlieren. Den zweiten Platz nahm der Kalifornier, ähnlich weise wie Boris Becker, gelassen: „Es ist eine Illusion zu glauben, daß man immer nur gewinnen kann. Ich habe aus Niederlagen mehr gelernt als aus Siegen.“ Da er jedoch nur selten verliert, hat er sich andere Lehrmeister zugelegt: „Meinen Erfolg verdanke ich in erster Linie den Delphinen.“ Oft hat er mit ihnen vor den Bahamas trainiert und sich viel von deren Bewegungsabläufen und Beherrschung der Hydrodynamik abgeschaut. Ob sich sein eigener Körper, ganz in Flipper -Manier, bei schnellem Schwimmen stromlinienförmig verändert, ist bisher jedoch unbewiesen. Als Dank an seine Meeresfreunde hat der naturverbundene Schwimmkönig an einem Film über Wale und Delphine mitgewirkt und unterstützt dementsprechende Initiativen.

Biondi, der nach seinem mißglückten Versuch als Wasserballer reuevoll zum Bahnenschwimmen zurückgekehrt ist, will noch einmal ganz nach oben. Mit Blick auf Olympia 1992 in Barcelona sind seine Prüfsteine für dieses Jahr die Wettkämpfe bei den „Goodwill Games“ Ende Juli in Seattle. Beim Kurzbahn-Meeting am kommenden Wochenende in Bonn wird sich der schnelle Matt ganz aufs Autogrammeschreiben konzentrieren können: Mangels Qualifikation für die offizielle US-Mannschaft verdonnerten ihn die eigenen Funktionäre zum Zuschauen.

Dennoch wird es spannend werden im sonst eher langweiligen Bonn. Der 18jährige Australier Glenn Housman ist wild entschlossen, die Weltbestleistung von Michael Groß über 800 Meter Freistil zu verbessern. Der Hamburger Stefan Pfeiffer führt auf derselben Distanz ähnliches im Schilde. Auch Giorgio Lamberti will für sein Waterloo von Seoul Rache nehmen und geht über die 100, 200 und 400 Meter Freistil sowie 100 Meter Schmetterling auf Rekordjagd.

Schlagzeilen anderer Art macht einmal mehr Michael Groß: Er kritisierte lauthals die am 5.Januar auf dem deutsch -deutschen Sportgipfel in Berlin aus der Taufe gehobenen Pläne für eine gemeinsame WM-Qualifikation der deutschen Schwimmer für Perth 1991. „Sportlicher Unfug“, schimpfte der Boulevard-Journalist im Verbandsorgan des DSV das Projekt, das von den Sportlern mehrheitlich abgelehnt wird. „In Perth werden zwei deutsche Mannschaften starten; eine gemeinsame Mannschaft liegt noch in weiter Ferne. Mit einer gemeinsamen Qualifikation würde der zweite Schritt vor dem ersten getan.“

Die Angst der Sportler ist verständlich: So manch bundesdeutscher Schwimmer müßte seine Fahrkarte nach Australien abgeben. Am Wochenende in Bonn werden die Funktionäre die Gespräche fortsetzen und über das umstrittene Vorhaben entscheiden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen