: Eine Aussöhnung hat nie stattgefunden
■ Polen und DDR-Gruppen warnen vor wachsender Polenfeindlichkeit / Kritik an Einkaufsbeschränkungen
Besorgt über antipolnische Ressentiments in der DDR haben sich Angehörige der Opposition und der Aktion Sühnezeichen der DDR geäußert. In einer Erklärung, die gemeinsam mit Mitgliedern des polnischen Clubs der katholischen Intelligenz vorgelegt wurde, übten die Unterzeichner Kritik an den Zoll- und Einkaufsbeschränkungen der DDR-Regierung für ausländische BürgerInnen.
Auf wirtschaftliche Probleme sei in der DDR mit administrativen Maßnahmen reagiert worden, die wiederum zur Diskriminierung von Ausländern geführt hätten. Besonders betroffen worden seien polnische Bürger, betont der Text, den unter anderem Bärbel Bohley, Ibrahim Böhme, Jens Reich, Ulrike Poppe und Wolfgang Ullmann unterschrieben haben.
Mit der Einführung von Zoll- und Einkaufsbeschränkungen hatte die DDR-Regierung auf einen vermeintlichen „Kaufansturm“ polnischer BürgerInnen auf Läden reagiert. Die Kontrolle liegt nunmehr faktisch in den Händen der Kaufhaus und Ladenangestellten. Dieser Schritt war von den DDR-Medien und einem Großteil der Bevölkerung beklatscht, von der polnischen Regierung und Ausländergruppen scharf kritisiert worden. Warschau hatte unter anderem angedroht, polnische Arbeitskräfte aus der DDR abzuziehen, sollten die Maßnahmen nicht rückgängig gemacht werden.
Im Rahmen eines Regierungsabkommens sind über 7.000 PolInnen in der DDR auf Zeit beschäftigt. Ausländergruppen hatten ebenfalls die sofortige Aufhebung der Maßnahmen gefordert und den Verdacht geäußert, man wolle auf diese Weise von „Staatsspekulation und Schieberei“ ablenken.
Berichte über wachsende Polenfeindlichkeit in der DDR haben sich in der letzten Zeit gehäuft. Zu Sündenböcken für leere Regale und Warenmangel werden jedoch auch Vietnamesen und Mosambikaner gestempelt, denen an der Kasse mit der Bemerkung „Nur für Deutsche“ die Waren wieder aus dem Korb genommen werden.
Die in Polen und der DDR bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten dürfen - so die Unterzeichner der Erklärung
-die Überzeugung vom Wert einer offenen Gesellschaft nicht schwächen. Ein Dialog auf gesellschaftlicher Ebene müsse nun begonnen werden.
In der Erklärung wird unter anderem daran erinnert, daß die DDR zwar 1950 die polnische Westgrenze anerkannt habe. Ein Prozeß der Aussöhnung auf der Grundlage menschlicher Begegnung und freier öffentlicher Debatte habe jedoch nie stattgefunden - im Gegenteil. „Autoritäre Strukturen standen einem authentischen Dialog zwischen den Gesellschaften im Weg“, heißt es wörtlich.
epd/anb
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