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Stoiber-Vorstoß für CS-Gas

Bayerische Polizei soll CS-Kampfgas auch in geschlossenen Räumen einsetzen dürfen / Gegen Geiselnehmer und Amokläufer / Protest bei den Grünen  ■  Aus München Luitgard Koch

Die bayerische Polizei soll demnächst CS-Gas auch in geschlossenen Räumen einsetzen dürfen. Dies teilte der bayerische Innenminister, Edmund Stoiber, dem Landtagsausschuß für Verfassungs-, Rechts- und Kommunalfragen mit. „Wenn sich jemand gegen eine Festnahme gewaltsam, insbesondere mit Waffen zur Wehr setzt“, so Stoiber, soll die Polizei zum Giftgas aus dem Vietnamkrieg greifen, dessen krebserzeugende Wirkung nicht ausgeschlossen werden kann. Der Kampfstoff CS steht nach der Genfer Konvention auf der Liste der chemischen Waffen, die im Kriegsfall geächtet werden. Ausschließlich das Sondereinsatzkommando (SEK) soll mit dem „Reizstoff“, so die offizielle Bezeichnung, ausgerüstet werden. Um Geiseln zu befreien und Amokläufer zur Strecke zu bringen, sei der CS -Einsatz notwendig, so Stoiber. Wegen fehlender wissenschaftlicher Berechnungen habe das bayerische Innenministerium das Gas bisher nicht in geschlossenen Räumen eingesetzt. Nachdem die technische Forschungsstelle der Polizei in Münster jedoch ihre Berechnungen über die Höhe der Konzentration in geschlossenen Räumen habe wissenschaftlich überprüfen lassen, sei der Einsatz jetzt möglich. Stoiber bezeichnete seine Aufrüstung der Polizei als „absolut notwendige Maßnahme“. Die Empfehlung der Forschungstelle stammt jedoch bereits vom Februar 1988. Schon damals waren die wissenschaftlichen Überprüfungen angeblich abgeschlossen. Den CS-Gaseinsatz begründet der CSU -Minister auch damit, daß so der „finale Rettungsschuß“ verhindert werden könne.

Bereits seit August 81 hat die bayerische Polizei das Kampfgas in ihrem Waffenarsenal. Während Schleswig-Holstein und das Saarland das CS-Gas wieder abschafften, wurde in Bayern, vor allem in Zusammenhang mit der Niederschlagung des WAA-Widerstands, zunehmend aufgerüstet und reichlich davon Gebrauch gemacht. Als der „Reizstoff“ Ostern 86 auf dem WAA-Gelände zum erstenmal massiv versprüht wurde, starb dabei ein asthmakranker Demonstrant. Sechs Wochen später, an Pfingsten, ließ die bayerische Staatsregierung Fortsetzung Seite 2

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CS-Gas-Granaten von Hubschraubern aus über dem WAA-Gelände abwerfen. Ein Münchner Toxikologe mußte danach 40 schwerkranke Patienten behandeln. Die Haut brennt, die Augen tränen - Husten und Halsstarre sind die ersten Auswirkungen. Aber auch Langzeitschäden sind nicht ausgeschlossen. Außerdem verursacht das Gas „eine Art Blutzersetzung, bei der die roten Zellen zum Platzen gebracht werden

und der Sauerstofftransport des Blutes gefährdet wird“ - so der Münchner Universitätsprofessor Lenk.

Daß Innenminister Stoiber jetzt „durchgeknallt“ sei, befürchtet der Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Hartmut Bäumer: „Mordwaffen ohne Ziel- und Wirkungsbegrenzung gehören nicht ins Polizeiarsenal“. Durch die Einsatzpläne Stoibers bekämpfe die Polizei die Geiseln genauso wie die Geiselnehmer. Angesichts der in Bayern häufigen Verstöße der Polizei gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot sei das Risiko zu groß.

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