: Zurück zum Produktionsmittel-Besitz
■ Sowjetisches Zentralkomitee beriet Wirtschaftsreformen / Privatbesitz von Produktionsmitteln möglich
Moskau (dpa/vwd) - Das Plenum des Zentralkomitess der KPdSU hat auch grünes Licht für radikale Reformen der Wirtschaft gegeben. Wie Nikolai Petrakow, der Wirtschaftsberater von Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow, am Freitag in einem Interview der amtlichen sowjetischen Nachrichtenagentur 'Tass‘ erklärte, soll demnach in der UdSSR künftig der Besitz von Produktionsmitteln durch Privatpersonen möglich sein.
Der wirtschaftspolitische Teil der vom ZK verabschiedeten Plattform legt „vielfältige Formen von Eigentum zugrunde, einschließlich von Kooperativen und Einzelnen und darunter auch an Produktionsmitteln“, sagte Petrakow. „Wir haben uns lange vor dem Privateigentum gefürchtet, aber dieses Eigentum im klassischen Verständnis dieses Begriffes gibt es nicht einmal mehr im Westen“, fügte er hinzu. Zudem gebe es zwischen Staats- und Privateigentum „ein ganzes Spektrum von Zwischenformen“.
Petrakow, der 1971 wegen seiner marktwirtschaftlichen Vorschläge kritisiert wurde und heute Berater Gorbatschows ist, wies Befürchtungen als absurd zurück, daß eine „teilweise Entstaatlichung der Sowjetwirtschaft zu einem Ausverkauf des Landes an neuartige Kapitalisten“ führen könne. Er sprach sich für die Umwandlung von Staatsbetrieben in Aktiengesellschaften aus, an denen auch Privatpersonen und später vielleicht auch ausländische Firmen Anteile halten könnten.
Gorbatschow hat unterdessen weitere politische Veränderungen in der UdSSR in Aussicht gestellt. „Was wir tun, ist im Kontext der gegenwärtigen Phase möglich. Wenn sie konsolidiert ist, werden wir weiter gehen“. Auf der Plenarsitzung des ZK hat es nach den Worten Gorbatschows äußerst bittere Meinungsverschiedenheiten und harte Differenzen gegeben. In der im Parteiorgan 'Prawda‘ veröffentlichten Abschlußrede des Kremlchefs vor diesem Gremium heißt es, es sei eine „schwierige Debatte“ gewesen. Aber er wies Mutmaßungen über eine Spaltung des Politbüros zurück. Der Kremlchef räumte ein, daß er während der Debatte persönlich angegriffen worden ist. „Der eine sagt, Sie haben einen blühenden Staat zugrunde gerichtet, ein anderer etwas Ähnliches“, sagte Gorbatschow. „Gewiß, im selben Atemzug werden sie behaupten, daß sie keine Panik stiften wollen und für die Perestroika sind - aber sie stiften Panik. Das ist Defätismus.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen