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Noch drei Abende im Kino:

■ „Coming Up Roses“ von Stephen Bayly

Beth sy yn y sinema heno? Diese Frage ist für heute abend leicht zu beantworten. Es geht um das Kinoangebot heute abend, und die Frage ist auf walisisch gestellt. Coming Up Roses ist der englische Titel eines walisischen Films von Stephen Bayly. Oder, um es noch ein wenig komplizierter zu gestalten: Der Regisseur ist ein Amerikaner, der in London lebt, doch seine Freundin lockte ihn nach Wales, um diesen Film zu machen.

Coming Up Roses ist der erste Kinofilm, der ausschließlich in walisisch gedreht wurde. Das mag im ersten Moment für das kontinentale Publikum abschreckend wirken, bei genauerer Betrachtung hat es viele Vorteile. Wales, oder Cymru wie es die Einheimischen nennen, ist ein Land mit langer keltischer Tradition. Das Streben nach einer kulturellen Identität ist tief in der Bevölkerung verhaftet. Dazu gehört natürlich auch die Sprache. Das hat Regisseur Bayly erkannt.

Der einsame Trevor (Dafydd Hywel) in seinem „Rex„

Mit liebevollem Sinn für das Detail erzählt er in ruhigen und melancholischen Bildern den Verfall eines Symbols. Es geht um das Kino „Rex“ in einem kleinen Städtchen im Süden des Landes. Nachdem alle anderen Filmtheater in der Gegend geschlossen wurden, ist das monumentale Bauwerk die einzig verbliebene Zufluchtstätte vor der Realität. Und die bedeutet in Süd-Wales: Zechenschließungen, Arbeitlosigkeit, Depression. Auch das „Rex“ entkommt seinem Schicksal nicht. Der kranke und desillusionierte Theaterleiter gibt auf. Aber aller Endzeitstimmung zum Trotz keimt in den weitläufigen Räumen Hoffnung auf. Trevor (Dafydd Hywel), der ehemalige Filmvorführer, findet keine neue Anstellung. So nimmt er bis zu einer definitiven Entscheidung über die weitere Zukunft des Gebäudes die Funktion des Hausmeisters wahr. Mehr durch Zufall als geplant beginnt er im dunklen und warmen Kino eine Champignon-Zucht, um seine Schulden zu tilgen.

Selten ist in letzter Zeit eine Filmproduktion mit solch einer harmonischen Ausstrahlung im Kino zu sehen gewesen. Die Sprache und die eher spärlichen Untertitel fokussieren das Geschehen auf der Leinwand. Das harte Idiom der Menschen zwischen Swansea und Cardiff und ihre rustikale Lebensweise lassen zunächst gar nicht erahnen, wie intensiv sie mit Solidarität und Liebe umgehen.

Baylys Erstlingswerk vereint mit zunehmender Dauer Gegensätze. Die Einsamkeit des Filmvorführers verwandelt sich ganz zart in Zuneigung zur Eisverkäuferin. Sie gibt ihm den Mut weiterzumachen. Die Hoffnungslosigkeit der Tristesse in der Kleinstadt kippt kaum merklich in hintergründigen Humor um. Sogar der sterbende Kinoleiter wird flehentlich aufgefordert „zu versuchen, noch am Leben zu bleiben“, da das Geld für sein Begräbnis noch nicht zusammen ist. Natürlich willigt der kaum noch Atmende ein.

Wir können uns, und das ist das schöne an Filmen, einlassen auf die Menschen im und um das „Rex“. Wir lernen, daß es auch am westlichen Rand Europas die gleichen Probleme gibt, wie bei uns. Und wir lernen, daß der soziale und kulturelle Zusammenhang bestimmter Völker immer noch ein bißchen stärker ist, als es in unserem Leben möglich zu sein scheint. Coming Up Roses ist ein programmatischer Titel für Hoffnung, Willen und Mut. Im Nachhinein schwingt das starke Gefühl nach, in neunzig Minuten eine Gruppe von Menschen besser kennengelernt zu haben. In der letzten Einstellung verkaufen die liebenswerten Süd-WaliserInnen „Enriched Compost“. Es scheint wie das plakative Statement des Films: Eine Bereicherung. Jürgen Franck

Cinema, bis einschl. Do., tägl. 18.45 Uhr!!!!

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