: Vaterschaftsprozeß: Kein Alibi gegen Alimente
■ Späte Zweifel an Vaterschaft / Bremer Amtsgericht entschied: 99,965-prozentiger Kindserzeuger muß zahlen
Also, wenn das Bienchen mit dem Pollen sich auf eine Blüte setzt... Das funktioniert fast immer und genauso beim Menschen. Nur daß die eine Sorte Mensch nicht so gerne an die Folgen denkt. Die können teuer werden. Nicht selten müssen deshalb Gericht und biochemische Labors die Gewissenlosen zur Raison bringen. Fast 20 Jahre lang hatte sich ein 51jähriger Mann den inzwischen erwachsenen Folgen seiner „amplitudischen“ Liebesbeziehung gestellt und gezahlt, so weit er konnte. Dann plagten ihn Krankheit, Arbeitsunfähigkeit, Armut und - Zweifel an der Vaterschaft. Hatte die Bekannte nicht damals noch diesen Jugendfreund? Der schon 1972 per Bluttest als Vater festgestellte und per Gerichtsurteil zum Unterhalt verpflichtete Mann erliegt dem Wahn, umsonst gezahlt zu haben. 1988 zeigt er seine frühere Bekannte wegen fortgesetzten Betruges an: er sei nicht der Vater, sondern möglicherweise eben jener Jugendfreund. Wegen dieser - von gerichtlich vereidigten Sachverständigen längst als falsch erwiesenen Anschuldigungen - fand er sich nun selbst vor dem Kadi wieder. Ein erbbiologisches Gutachten, für 6000 Mark von einem Kieler Spezialisten erstellt, läßt keinen Zweifel an der leiblichen Vaterschaft des Angeklagten. Alle Beteiligten - Sohn, Vater und Mutter mußten dafür Blutproben abliefern. Dem Gutachten, so Professor Sachs aus Kiel, liegt der Vergleich von 26 verschiedenen Blutgruppensystemen zugrunde. Er trägt den Anwesenden im Gerichtssaal eine endlose Latte von Zahlen und biochemischen Bezeichnungen vor, aus der letztlich hervorgeht: Die Wahrscheinlichkeit, den richtigen Vater gefunden zu haben, beträgt 99,965%. Oder anders ausgedrückt: Von 10.000 Männern könnten nur 8 nicht von der Wahrscheinlichkeit, Vater zu sein, ausgeschlossen werden. Die Mutter, als Zeugin geladen, räumt allerdings nur einen „Jugendfreund“ vor der Zeugung ihres Sohns ein. An der Vaterschaft des Angeklagten besteht also kein Zweifel. Oder doch? Der Angeklagte ist unsicher. Hätte nicht auch der Jugendfreund getestet werden müssen? „Die Frauen suchen sich immer so ähnliche Männer aus, und deswegen ist doch möglich...“ Das Erscheinungsbild eines Mannes sage nichts über die Zusammensetzung seines Blutes aus, erklärt der Fachmann aus Kiel.
Zögernd entschließt sich der Angeklagte, dem Gutachten recht zu geben. Das Verfahren wird eingestellt. Auflage: 4000 Mark der noch ausstehenden 8000 Mark Unterhaltsgeld innerhalb eines halben Jahres zu zahlen. Der offenbarungsvereidigte Vater will sich das Geld von seinen über 80-jährigen Eltern borgen. Beate Ram
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