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Embargopolitik gegen Südafrika unter Druck

■ Nach der Freilassung Nelson Mandelas hofft das weiße Südafrika auf schnelle Aufhebung der Sanktionen

Die Rechnung der südafrikanischen Geschäftswelt, mit der Freilassung Nelson Mandelas würden die westlichen Regierungen ihre Sanktionen aufheben, könnte aufgehen. Der britische Außenminister Hurd will beim Treffen der EG -Außenminister am 20.2. in Dublin darauf drängen, daß die Sanktionen gegenüber Südafrika gelockert werden. Bis zur Aufhebung des Ausnahmezustands jedoch will sich mit Ausnahme von Margaret Thatcher vorerst keine Regierung klar für eine Lockerung der Blockade aussprechen.

Auch wenn er kein visionärer Redner ist: Nelson Mandela hat mit seiner ersten Rede vorgestern abend und einer Pressekonferenz am nächsten Morgen demonstriert, daß er taktisches Geschick hat. War die Ansprache vor 50.000 begeisterten Menschen in Kapstadt von radikalen Aussagen geprägt, um offenbar die militante Jugend zu beruhigen, so versuchte er am nächsten Morgen die Ängste der Weißen zu mindern. Der am Sonntag nach 27jähriger Haft freigelassene ANC-Führer weiß um die Komplexität der bevorstehenden Verhandlungen. Wiederholt zeigte er gestern Verständnis für die Befürchtungen weißer Südafrikaner, sie würden unter einer schwarzen Vorherrschaft untergehen. Er räumte andererseits aber ein, daß der Druck auf die südafrikanische Regierung, darunter auch bewaffneter Kampf und Sanktionen, nicht nachlassen dürfte.

In Bishopscourt, dem Amtssitz des Erzbischofs Desmond Tutu, zeigte sich Mandela optimistisch, daß es bald zu Gesprächen über Verhandlungen zwischen ANC und Regierung kommt. „Wir wollen eine Lösung finden, die sowohl Weißen als auch Schwarzen passen wird.“ Verhandlungen könnten allerdings erst zustande kommen, wenn das dafür notwendige Klima geschaffen würde. „Wenn de Klerk glaubt, daß die Schritte, die er bisher angekündigt hat, eine Normalisierung darstellen, dann bin ich da anderer Meinung“, sagte Mandela. Er forderte die vollkommene Aufhebung des Ausnahmezustandes und die Freilassung aller politischen Gefangenen. De Klerk nannte er einen integren Mann, der mehr getan habe als jeder vorherige Führer der „Nationalen Partei“ (NP), die 1948 ihre Apartheid-Ideologie zum Gesetz erhoben hatte.

Für einen 71jährigen Menschen, der lange Jahre seiner Haft auch noch in Isolation verbringen mußte, war Mandela überraschend wach, beantwortete Fragen ohne zu zögern, mit starker Stimme und Präzision. Flankiert von seiner Frau Winnie und seinem alten Freund und Kollegen Walter Sisulu und dessen Frau Albertina betonte er, daß er von seinem Empfang durch die Bevölkerung überwältigt worden sei. „Das war atemberaubend“, sagte er.

Über die langen Jahre im Gefängnis behauptet er, nicht verbittert zu sein. „Ich habe viel verloren in diesen 27 Jahren“, sagte er. „Es ist schwierig, die Probleme seiner Familie zu beobachten, ohne daß die Würde des Familienhauptes dabei ist.“ Aber er habe auch viel Zeit gehabt, sich Gedanken über die Probleme Südafrikas zu machen. Mandela, der in dem Stammesgebiet der Xhosas geboren wurde, sehnt sich nach den Orten seiner Jugend. „Ich möchte gerne die kleinen Steine wiedersehen, mit denen ich als Junge gespielt habe, und die Flüsse, in denen ich geschwommen bin“, sagte er. Mandela wirkte gelassen und begrüßte bekannte Namen und Gesichter freundlich. Er lachte laut, als er Streeni Moodley, einen farbigen Journalisten, der mit ihm eine zeitlang auf der Gefängnisinsel Robben Island inhaftiert war, erkannte. „Streeni, du hier, wie geht es dir, mein Junge?“

Mandelas Bekenntnis zur Fortführung des bewaffneten Kampfes war auf der Kapstadter Versammlung mit großem Beifall aufgenommen worden. Er betonte auch, daß er nach wie vor loyales Mitglied des ANC sei. „Die Faktoren, die zum bewaffneten Kampf führten, gelten auch noch heute“, sagte der Mann, der für die Gründung der ANC-Armee „Umkhonto we Sizwe“ (Speer der Nation ) zu lebenlänglicher Haft verurteilt worden war. „Deshalb haben wir keine andere Wahl als damit fortzufahren.“ Die Bevölkerung wie auch die internationale Gemeinschaft müßten helfen, um die Apartheid endgültig zu besiegen.

Dieser Meinung schlossen sich auch viele afrikanische Staatsoberhäupter an, die mit großer Freude auf Mandelas Freilassung reagierten, jedoch gleichzeitig betonten, die „Säulen der Apartheid“ stünden noch. Der Generalsekretär der Organisation Afrikanischer Einheit (OAU), der Tansanier Salim Ahmed Salim, meinte, Mandelas Freilassung sei Folge des internationalen Drucks auf das Regime in Pretoria. Dieser Druck, einschließlich Wirtschaftssanktionen, müsse beibehalten werden, bis „eine demokratische, nicht -rassistische Gesellschaft in Südafrika“ errichtet sei.

Hans Brandt, Kapstadt

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