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„...politisch völlig ungebunden“

■ Der Verein Islamkolleg kämpfte gestern vor dem Schulausschuß für das Projekt islamische Grundschule / Wie weit geht die multikulturelle Gesellschaft?

Für die einen ist sie unvermeidbarer Teil multikultureller Realität, für die anderen ein trojanisches Pferd: Der Streit um die Genehmigung für eine private islamische Grundschule entpuppt sich für den Senat als eine Bewährungsprobe mit ungewissem Ausgang. Nachdem bereits von mehreren Seiten heftig kritisiert wurde, daß die Grundschule des „Islamkolleg e.V.“ nun schon seit Oktober mit einer „vorläufigen Startgenehmigung“ den Unterricht mit 17 Kindern aufgenommen hat (die taz berichtete), wurden gestern vom Schulausschuß Vertreter des Trägers angehört.

Yaha Schültzke, deutscher Muslim und erster Vorsitzender des Islamkollegs, packte die Ausschußmitglieder gleich mehrmals beim multikulturellen Gewissen. Zentrales Anliegen der Schule sei nicht nur der Arabisch- und islamische Religionsunterricht, sondern auch ein Schulalltag ohne Ausländerfeindlichkeit. Scharfer Protest kam unter anderem vom Freidenker-Verband und dem Türkischen Elternverein. Die Schule sei integrationsfördernd, entgegnete gestern Schültzke und appellierte an den Ausschuß: „Und wenn Sie die verbieten, drängen Sie die Muslime ins Ghetto.“

Der Versuch, sich mittels einer Anhörung Klarheit über die Beweggründe, aber auch die Hintergründe des Islamkollegs zu verschaffen, mißriet in der Sitzung des Schulausschusses zu einer Mischung aus Vernehmung und Katz-und-Maus-Spiel. Einige Abgeordnete münzten ihr Mißtrauen gegenüber dem Projekt in einen pöbelhaften Umgangston gegenüber den VertreterInnen des Islamkollegs um. Die wiederum äußerten sich zu Fragen wie Sexualerziehung oder der Bedeutung des islamischen Rechts standhaft ausweichend. Sexualerziehung dürfe Kindern nicht mit Gewalt aufgezwungen werden, erklärte Yaha Schültzke. „Wenn die Kinder im Unterricht fragen, wird auch offen geantwortet.“ Daß die Schule nichts mit der Islamischen Föderation - einem Zusammenschluß von Moscheevereinen und anderen Organisationen - zu tun hat, wie die Geschäftsführerin des Islamkollegs, Emen Algan, vor zwei Wochen noch versichert hatte, läßt sich seit gestern nicht mehr behaupten.

Yaha Schültzke, erster Vorsitzender des Islamkollegs, ist gleichzeitig Vizepräsident der Föderation, wie er unumwunden einräumte. Der Föderation wiederum wird nachgesagt, sich maßgeblich aus Anhängern der „Nationalen Sicht“ (Milli Görüs) zusammenzusetzen. Etwa die Hälfte, so Schültzke, gehörten zu „Milli Görüs“, die einen fundamentalistischen Islam türkisch-nationaler Prägung vertritt. Politischen Einfluß auf die Schule stritt Schültzke jedoch ab. Die Schule sei in erster Linie von den muslimischen Frauen initiiert, „und die sind politisch völlig ungebunden“.

anb

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