EINE GEBALLTE LADUNG MENSCHENVERACHTUNG

■ Ein Tag in der „Beruhigungszelle“

Mir ist kalt. Ist es das, was mich geweckt hat? Als ich nach der Decke greifen will, merke ich, daß gar keine vorhanden ist. Grelles Licht sticht mir in die Augen, mein Kreuz schmerzt vom Liegen.

Verdammt! Wo bin ich hier? Ich laß meine Gedanken zurückschweifen... Nun fällt es mir wieder ein: Man hat mich ins Loch gesteckt. Naja, „Loch“ so nennen wir das hier. Eine Matraze auf dem Boden, zwei Meter neben mir eine Öffnung im Boden für die Notdurft.

Alleine dieser fürchterliche Gestank läßt meinen Magen rotieren. Und dann ist da noch diese Kamera oben an der Decke. Da können sie dich beobachten, von der Zentrale aus.

Dieser verdammte Druck auf meiner Blase. Ist jedes Mal das gleiche: nach dem Wachwerden muß ich immer pinkeln. Doch heute? Naja, ich weiß nicht recht. Etwas hindert mich daran. Einfach unmenschlich, wie du hier behandelt wirst. Und das alles nur, weil ich gestern mal, nach langer Zeit, wieder den „Moralischen“ hatte. Da hab‘ ich halt 'ne Kanne auf den Boden geworfen - direkt vor den „Grünen“. Seine Kollegen kamen dann auch gleich - mit drei Mann - und ab ging's in den Bunker.

Nun sitz‘ ich hier, kann nicht pinkeln und frier mir den Arsch ab - nur in der Unterhose dasitzend. Und dieses Licht

-verdammt hell - sticht mir in die Augen und ich halte das nicht mehr aus! Hier soll ich mich beruhigen? Versteh‘ ich nicht.

Da, ich höre, daß sie kommen! Soll ich mich darüber freuen? Die Tür geht auf, man reicht mir das Essen herein. Abgepacktes Brot und einen Napf, der Kaffee - wir wollen bei der Wahrheit bleiben: Muckefuck - enthält. Auf meine Frage: „Wie lange noch?“, grinst man nur dümmlich, und schon bin ich wieder allein. Ich komme mir vor wie so'n Tier. Ich will hier raus!

Ich halte das nicht mehr aus. Ich muß pinkeln! Kann ich das? Es ist, als stehe einer hinter mir, einer der mich auslacht, mich schändet vor den Augen anderer. Ich schäme mich, weiß ich doch, daß selbst eine Beamtin mich beobachten kann. Tut sie es? Lachen sie dort „oben“ über mich? Alles Fragen, auf die ich wohl nie eine Antwort bekommen werde. Möchte ich auch nicht.

Dieses Essen auf dem Boden, dieser Gestank aus dem Loch, diese verdammte Kamera... Ich friere, habe Schmerzen in der Blase. Befreit mich doch endlich aus dieser menschenverachtenden Folterkammer! Mir wird schlecht, ich habe Angst. He, ihr da „oben“, ich bin ein menschliches Wesen und kein Tier! Holt mich raus aus diesem Loch!

Ich bekomme Haß. Kann es nicht dämpfen. Schrei meine Aggressivität in die verdammte Kamera. Doch sie lacht mich nur an. So wie diese „Menschen“ in der Zentrale? Ich weiß es nicht.

Wie spät mag es wohl sein? Da, die Tür geht auf. Ich komme raus - endlich. Doch in meinem Herzen brennt ein unlöschbarer Haß auf die „Grünen“, die mich erniedrigten, die mich bloßstellten, die mir meinen Stolz nahmen, die über mich - in meiner peinlichsten Situation - gelacht haben.

Unglaublich, welch schamlose Erniedrigung dieses Loch ist, das sie Beruhigungszelle nennen. Es ist nicht mehr als eine geballte Ladung Menschenverachtung, die sie uns, die wir dort rein müssen, als „Behandlungsmaßnahme“ verkaufen wollen.

Michael Strisowski, Willich-Anrath