: Der Chef ist weg.
■ Aber keine Sorge: Wir bleiben / Enthüllung: Das war der Mann, der die Mülleimer leerte
Bloß keine Lobesarien hinterherschreiben, nichts Gefühliges, lieber was tazziges, lieber ein paar verärgerte Kommentare aus Prominentenmündern abholen. Geht nicht.
Seit Monaten verfolgt K.W. fieberhaft die Ereignisse in der DDR, schnappte am 10. November nach 10 Stunden taz -Produktion Regencape und Fahrrad: „Ich versuche, einen Flug zu kriegen. Ich muß nach Berlin, gucken.“ Der Mann ist eben Journalist. Und kriegte, durch Penetranz, den allerletzten Flug in der
letzten Maschine. Vor einer Woche hat er entschieden, daß er weggeht von der kleinen Firma taz Bremen, die er vor vier Jahren gegründet und durchgesetzt hat. Bleiben noch drei Tage Bremen. Kein selbstgebackner Quarkkuchen mehr. Und kein Kollege mehr mit verschiedenfarbigen Socken.
Meinungsumfrage in der Redaktion. „Die anderen, die denken immer so von außen, daß er der Macher ist, der taz-Architekt und so. Die wissen ja nicht, daß er hier den Müll runterbringt, wenn
der Eimer wieder überläuft,“ sagt B., „daß er sich um die PraktikantInnen kümmert, daß er mir heute noch gesagt hat, ich soll das Tonband-Abspielgerät nicht über Nacht anlassen.“ K.W. ist ein tiefer Brunnen. Das mit den PraktikantInnen stimmt. „Und dann zeigte Klaus Wolschner mir die Bürgerschaft und spendierte mir eine Bockwurst“, schrieb taz-Praktikant Claas einst beeindruckt in sein Berichtsheft. Was zu der K.W.-Hausmeister-Seite noch gehört: Morgens auf dem Bürgersteig die Zeitungs-Bande
rolen aufsammeln, die die taz-TrägerInnen nachts liegen gelassen haben, abends den Anrufbeantworter an-und den Warmwasserboiler abschalten, an Kartons fürs Altpapier denken. Was denken die KollegInnen über den, den wir scherzfrei „Chef“ nennen? Der im Text oben typischerweise schreibt, „der Lokalteil entstand“? „Geheimdraht-Zieher“ und „Pantoffelheld“, kann M. sich nicht verkneifen und meint K.W.'s furchtbar praktische Hüttenschuhe, die wir seit vier Wintern tolerieren müssen. Praktisch eben wie die immer mal eben schnell eingeschlagenen Nägel für den Klo-Schlüssel, wie die unklaubar angeklebten Tesaroller. K.W., der sich für Tod und Teufel interessiert, auf dem Nachhauseweg an jeder Laterne noch jeden denkbaren Informanten „anmelkt“, wie U. weiß.
Es gibt in Bremen irgendwo Krach? Haarrisse in Parteien? Andeutungen von Klatsch? K.W. rührt auf und um. Er erfand den taz-Klatschkasten für „Rosi Roland“ und das „Wort zum Montag“. Es gibt strittige Themen, gar Empörung über taz -Berichterstattung? Das bringen wir in die Zeitung, die Streithennen setzen wir an einen Tisch, findet K.W. Vor vier Jahren freute sich eine Kultur-Initiative über die taz: „Dann können wir zusammenarbeiten.“ K.W. freundlich: „Wir machen eine Zeitung. Wenn Ihr was Gutes oder was Schlechtes macht, werden wir das berichten.“ S.P
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