: „...und schicken sie dann zurück in ihre Heimat“
■ Hannovers Oberbürgermeister Schmalstieg (SPD): „Städte werden mit der Zuwandererwelle nicht mehr fertig“ / Bremen nimmt keine mehr
Berlin (dpa/ap/taz) - Das Bundesland Bremen hat den Zuzug von Aus- und Übersiedlern ab sofort gestoppt. „Wir können niemanden mehr unterbringen“, erklärte Bremens Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD) am Freitag in der deutschlandpolitischen Debatte des Bundesrates in Bonn. Der Aufnahmestopp gelte zunächst für eine Woche, es sei aber völlig offen, ob sich die Lage danach anders darstelle. Das kleinste Bundesland hatte sich in den letzten Monaten bereits mehrfach kurzfristig außerstande gesehen, Aus- und Übersiedler aufzunehmen. Am Donnerstag war in Bremen eine Turnhalle von Bundesbürgern aus Protest gegen die geplante Umwandlung in ein Notaufnahmelager besetzt worden.
Wedemeier forderte vor dem Bundesrat, das bisherige Notaufnahmeverfahren zu beenden. Wer Deutscher sei und umziehen wolle, sei herzlich eingeladen, das zu tun. Er müsse sich aber selbst Wohnung und Arbeit beschaffen, forderte der Bürgermeister. Die Bereitschaft der Bevölkerung, Nachteile durch den Übersiedlerstrom aus der DDR hinzunehmen, sinke ständig.
Vor „einer gefährlichen Entsolidarisierung zwischen Übersiedlern und Einheimischen“ warnte gestern auch der Vizepräsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister von Hannover, Herbert Schmalstieg (SPD). Die Städte würden mit der Zuwandererwelle nicht mehr fertig, erklärte er gestern in der 'Hannoverschen Neuen Presse‘. „Wenn es keine Auffanglager mehr gibt, landen die Menschen in den Städten, und dann müssen wir sie behandeln wie Obdachlose.“ Konkret hieße das: „Wir zahlen ihnen den Aufenthalt für eine Nacht und schicken sie dann zurück in ihre Heimat.“
In Bonn bezeichnete Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Bundestag den Antrag der SPD-Fraktion nach Streichung der Notaufnahmeverfahren und materiellen Sonderhilfen als „niedrigste Demagogie“. Mit solchen Forderungen schüre die SPD Emotionen gegen Übersiedler. Gleichzeitig räumte er ein, daß die „starke Wanderbewegung“ nicht der Stabilität in Europa diene. Die Ursachen lägen aber nicht in der Bundesrepublik. Die SPD-Abgeordnete Gerlinde Hämmerle begründete die SPD-Anträge mit der wachsenden Aggression zwischen Bundesbürgern und Übersiedlern. Die vermeintlich einfachen Antworten fänden zunehmend Anklang, warnte sie.
Nach einer Umfrage der Nachrichtenagentur 'ap‘ in den Bundesländern wachsen inzwischen die Vorbehalte der Bundesbürger gegen die Übersiedler. Probleme entstünden vor allem durch die lange Aufenthaltsdauer in Übergangsquartieren und auch durch Alkoholprobleme bei übergesiedelten, alleinstehenden Männern. Wegen der Zunahme der sozialen Spannungen, die sich auch schon in Gewaltakten entladen hätten, habe die Polizei in einigen Notaufnahmelagern im Saarland Wachen eingerichtet.
Eine Lösung bietet Bayerns Sozialminister Glück (CSU) an. „Längerfristig überlegenswert“ sei nach einer Wiedervereinigung, Aussiedler auf dem Gebiet der DDR anzusiedeln. Das entspreche der „bayerischen Linie“, Aussiedler dort unterzubringen, wo es Arbeit und Wohnungen gebe. Der Vorschlag dürfte realistisch sein, wenn bis dahin genügend Übersiedler in die Bundesrepublik gekommen sind.
bg
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