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Boris Pasternak-betr.: "Lärm verstummt...", taz vom 10.2.90

betr.: „Lärm verstummt...“,

taz vom 10.2.90

Mit wachsendem Unmut habe ich den Artikel von S.Margolina gelesen. Da wird an einem mittlerweile hochmodernen Mythos von dem gebildeten, sensiblen russischen Intellektuellen (ausgestorben wegen Kommunismus) gestrickt, ohne zu fragen, welche Rolle diese Bürgerschicht zur Zeit des Zarenreichs gespielt hat, denn die russische Revolution ist eben nicht wie die Asche des Vesuvs vom Himmel gefallen.

Frauen wurden auch schon unter dem Zarenreich in Ermangelung eines Ochsen vor den Pflug gespannt, das hat aber viele der wohlerzogenen bürgerlichen Kavaliere damals nicht sonderlich beunruhigt. Auch sollte man nicht vergessen, daß erst unter dem Bolschewismus vielen Menschen dank Alphabetisierungskampagnen überhaupt ermöglicht wurde, an der russischen Kultur teilzuhaben.

Dieser Artikel steht meines Erachtens nach exemplarisch für eine Haltung, bei der - da der reale Kommunismus endlich kritisierbar geworden ist - das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird und alles, was noch vor ein paar Jahren mit spitzen Fingern angefaßt wurde, plötzlich in den Himmel gehoben wird.

Vera von Wilcken, Hamburg 50

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