: Gütige Mama contra stürmischer Macho
■ Die nicaraguanischen PräsidentschaftskandidatInnen haben nichts gemeinsam - außer der Bestätigung überkommener Geschlechterrollen / FSLN setzt auf junge Wahlkampfhelferinnen, doch Fraueninteressen bleiben unberücksichtigt / Gegen Abtreibung
Daniel ist mein Kampfhahn“ - hundertfach an die Häuserwände gemalt, empfängt der Slogan den amtierenden nicaraguanischen Präsidenten Daniel Ortega, wo immer der Präsidentschaftskandidat der SandinistInnen während des Wahlkampfs Station macht. Die rechte Oppositionsallianz „Uno“, die auf einen Wahlsieg am 25.Februar hofft, hält auf Gegenkurs, nicht nur im politischen Programm: „Mit unserer Kandidatin, alt, schwach und noch dazu Frau, werden wir Ortega besiegen“, versprach Luis Sanchez Sancho, Sprecher der Uno. Violeta Barrios de Chamorro soll „den Kampfhahn in der Suppe servieren“. Dabei setzt die Uno weniger auf politische Qualitäten der Präsidentschaftskandidatin als auf deren (angeheirateten zweiten) Namen: „Dona Violeta“ ist Witwe des 1978 unter Somoza ermordeten Verlegers Pedro Joaquin Chamorro. Der Wunsch nach einer politischen Wende, so die unverhohlene Wahlstrategie der Uno, sei so stark, daß die neubelebte Erinnerung an Pedro Chamorro genügen würde, um die SandinistInnen auszustechen.
Daß die Kandidatin nur über ihre Rolle als Witwe und Mutter der Chamorro-Söhne definiert wird, gehört zum Konzept der Uno. Die Präsidentschaftsanwärterin ficht das nicht an: „Demokratie braucht mütterlichen Instinkt“, so hatte Violeta Chamorro wiederholt ihre Vorstellung von der weiblichen Amtsführung beschrieben. Nicht als Expertin, sondern als „Bindeglied zwischen Volk und Politikern“ will sie sich verstanden wissen; ihr Zugeständnis, von Politik keine Ahnung zu haben, soll geheimen Männerängsten vorbeugen. Marienkult
„Maria ist Jungfrau, Mutter, Gattin: die drei fundamentalsten Aufgaben, die auch der Kirche zukommen“, lautete die Neujahrsbotschaft des Kardinals Miguel Obando y Bravos, der in der von der Familie Chamorro herausgegebenen Tageszeitung 'La Prensa‘ sein Sprachrohr findet. Marienhafte Züge versucht die Uno auch ihrer Kandidatin zu verleihen: „Das Image, das wir für Violeta entwerfen, ist das der Mutter“, hatte der liberale Jaime Bonilla, Mitglied des Kampagneteams, vertraulich wissen lassen. „Sie ist eine Symbolfigur, die durch den Tod ihres Gatten Opfer bringen mußte.“ Das religiöse Flair, mit dem sich die Berufswitwe auf ihren Wahlveranstaltungen zu umgeben pflegt, sei, so Bonilla, zwar keineswegs bewußt inszeniert, soll aber doch ansprechen. Bonilla: „Unser Volk ist sehr religiös, und da kann es durchaus sein, daß die Figur der Mutter mit der Jungfrau Maria gleichgesetzt wird.“
Auf einer Wahlveranstaltung der Uno in Ciudad Sandino, einem Vorort der Hauptstadt, hat eine Gruppe von Violeta -Anhängerinnen keinen Zweifel an deren Bündnis mit den himmlischen Mächten: „Wir haben Gelübde abgelegt, damit sie gewinnt. Denn sie kann die Dinge ändern, weil sie es versprochen hat.“ Der Gestus von tapferer Hilflosigkeit und uneigennützigem Verzicht, mit dem Violeta Chamorro an die Öffentlichkeit tritt, bejaht - knapp elf Jahre nach der Revolution - die traditionelle Rolle der Frau, an der nicht nur Männer festhalten: „Als Mutter und Gattin ist Violeta uns ein großes Beispiel“, erklärt eine Teilnehmerin der Wahlveranstaltung, „sie ist charakteristisch für Frauen, die wie wir einsam sind und Angst um die Männer beim Militär haben.“ Es entspricht dem Marienimage der Kandidatin, daß sie in politischen Auseinandersetzungen gänzlich ungeübt ist. Ihr AnhängerInnen stört das nur wenig: „Das wird sie schon lernen“, meint ein männlicher Chamorro-Fan ganz zuversichtlich, „und mittlerweile sind wir hier, um sie zu schützen.“ Lässiger Twen
„Das erste Mal aus Liebe ist schön“, richtet sich ein buntes Spruchband der SandinistInnen auf der Avenida Bolivar an die ErstwählerInnen. Weil über die Hälfte der Stimmberechtigten im Alter zwischen 16 und 25 Jahren ist, zielt die Kampagne vor allem auf Jugendliche. Aus dem dickbebrillten, ernsten Ortega der Wahlen im Jahr 1984, der hauptsächlich in Militäruniform auftrat, ist ein lässiger Twen geworden. Im schwarzen T-Shirt, begleitet von Hochleistungssportlern und Jugendlichen, durchquert der 43jährige im Marathon die Hauptstadt. Er läßt es sich nicht nehmen, mit einer frischgewählten Miß einen aufs Parkett zu legen und findet trotz seiner Regierungsgeschäfte Zeit, mit der mexikanischen Sängerin Daniela Romo den Vulkan von Masaya zu besteigen. Auch wenn es säkularisiert und gründlich entstaubt ist, Ortegas Wahlkampfimage entstammt der gleichen patriarchalischen Vorstellungswelt wie das seiner Gegenspielerin. Sie ergänzen sich gegenseitig, der stürmische Macho und die gütige Mama.
Der Anspruch der Frente Sandinista, für die „volle Emanzipation der Frau“ zu kämpfen, steht auch im Widerspruch zu der Rolle, die den Frauen im Wahlkampf zugedacht wurde: Die Sandinististische Jugend (JS) hat für die emotional geführte Kampagne Hunderte von Wahlhelferinnen bereitgestellt. „Bisher wurden die jungen Männer wegen des Militärdienstes gefördert“, erklärt Lauretano Sandino, Generalsekretär der JS, „nun sind die Frauen an der Reihe: Ihr Einsatz im Wahlkampf ist eine Methode, sie politisch aktiv zu machen.“ Ein fadenscheiniger Versuch des smarten Schnauzbarts, die offensichtliche Instrumentalisierung der Frauen im Wahlkampf zu beschönigen: Durch den Einsatz von Agitatorinnen baut die Kampagne einmal mehr darauf, alten Machosehnsüchten entgegenzukommen. Ein Forum für eigene Themen bietet sie den mit Organisations- und Animationsaufgaben eingedeckten Wahlhelferinnen nicht. FSLN lehnt Abtreibung ab
„Nach dieser wenig bewußtseinsbildenden Kampagne wird es schwer sein, einen geschlechtsspezifischen Diskurs zu erreichen“, kritisiert die Soziologin Ana Criquillon, Mitglied des nicaraguanischen Frauenverbands AMNLAE. „Dabei wäre eine solche Auseinandersetzung notwendig, um in Einklang mit dem Diskussionsstand der engagierten Frauen zu kommen.“ Ihre Forderungen hatten Vertreterinnen der Massenorganisation AMNLAE im Vorjahr der FSLN-Spitze vorgelegt. Fast alle Punkte wurden ins Regierungsprogramm der SandinistInnen aufgenommen: Kampagnen zur Familienplanung und Sexualerziehung, Neubewertung der traditionellen Frauenberufe, Garantie der Rechte von Schwangeren, der Kampf um die Stabilität der Familie und gegen Drogenmißbrauch und Prostitution. Allerdings: Ihre Forderung nach Freigabe der Abtreibung, die die Feministinnen zum ersten Mal nach dem „Triumph“ an die Regierung stellten, wurde von der FSLN abgelehnt.
„Eine Freigabe der Abtreibung könnte unser Gesundheitssystem derzeit nicht verkraften“, erklärte dazu die Gesundheitsministerin und Abgeordnetenkandidatin Dora Maria Tellez in einer vierstündigen Radiodiskussion zum Thema Frauen. „Wir haben nicht genügend Betten, um die Patientin tagelang nach der Anästhesie zu betreuen.“ Nach dem empörten Anruf einer Frau, die auf die Häufigkeit der Todesursache durch unsachgemäße Abtreibung hinwies, schaltete sich AMNLAE-Generalsekretärin Doris Tijerino in die Sendung ein: „Die Abtreibung soll straffrei werden, aber sie ist nicht die Grundlage unseres Kampfprogrammes.“ Die Forderung nach Freigabe der Abtreibung, so sehen es die Optimistinnen unter den Frauen, sei ohnehin in der allgemeinen Forderung nach „voller Gleichberechtigung und Beseitigung wirtschaftlicher und politischer Diskriminierung“ enthalten, die ins sandinistische Wahlprogramm aufgenommen wurde. Dort versteckt, solle sie auf eine Zeit nach der Wahl warten, die den Frauen geeigneter für eine Konfrontation mit der Regierung scheint.
Gaby Müller, Managua
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