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Verdreckte Windeln für die Senatoren

■ Bürgermeisterin Ingrid Stahmer will nun im KiTa-Konflikt vermitteln / Auch ErzieherInnen privater KiTas heute noch im Streik / Rund 7.000 Menschen demonstrierten für Tarifvertrag / Solidarischer Warnstreik für die KiTa-Forderungen an Kreuzberger Ganztagsschulen

Grabesstimmung war gestern vor dem Schöneberger Rathaus angesagt, als Berlins zur Zeit kampfeslustigste Berufsgruppe mit zahlreicher Unterstützung nahte: die Polizei schätzte 4.600 Teilnehmer, die Demo-Veranstalter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zählten rund 7.000 ErzieherInnen, Eltern und Kinder sowie einen Sarg und einen Haufen verdreckter Windeln. In einem Trauermarsch waren sie gestern morgen zum Rathaus gezogen, im Sarg wurde die Sozialpolitik des rot-grünen Senats zu Grabe getragen. Daß sich in der sechsten Woche Streik nicht nur viel Wut, sondern auch viel Dreck (und Arbeit für die Eltern) angesammelt hatte, sollte bis in die Amtszimmer riechbar werden. Jede Menge vollgeschissene Windeln ihrer Sprößlinge schmissen die Eltern auf die Rathaustreppen.

Ein paar Meter weiter debattierten indessen Berlins Senatoren über die verfahrene Situation im KiTa-Konflikt. Eine Lösung war auch gestern nicht in Sicht, dafür aber eine neue Vermittlerin. Bürgermeisterin und Sozialsenatorin Ingrid Stahmer will die Gewerkschaften GEW und ÖTV sowie Vertreter der Senatsverwaltungen für Inneres und Frauen und Jugend zu einem Gespräch in der nächsten Woche einladen. Damit wird der KiTa-Streik zwar weiterhin nicht als Chefsache für den Regierenden Bürgermeister Momper behandelt - aber immerhin als Chefinnensache. Mehr Bewegung war allerdings nicht zu registrieren. Während die Senatorinnen der AL weiterhin an ihrer Position festhalten, der Senat solle endlich Tarifverhandlungen aufnehmen, wolle die SPD -Mehrheit - so Senatssprecher Werner Kohlhoff - alles besprechen, solang es „unterhalb der Ebene eines Tarifvertrages liegt“.

Frauensenatorin Anne Klein, die sich auch auf der Demonstration für Tarifverhandlungen ausgesprochen hatte, soll zur nächsten Sitzung einen Entwurf für Ausführungsvorschriften vorlegen, in denen die Arbeitsbedingungen von ErzieherInnen genauer geregelt werden könnten. Außerdem wollen sich die Senatskollegen von Klein die Vor-und Nachteile eines KiTa-Gesetzes darlegen lassen.

Mit Kopfschütteln nahm der GEW-Vorstand die Ergebnisse der gestrigen Senatssitzung zur Kenntnis. Mit einem überstürzt hervorgezauberten KiTa-Gesetz sei niemandem geholfen, erklärte das zuständige Vorstandsmitglied Andre Dupuis. „Damit will der Senat die Öffentlichkeit verwirren.“ Ausführungsvorschriften zur Regelung der Arbeitsbedingungen hatte die GEW bereits am Dienstag abgelehnt, nachdem der SPD -Vorstand einen entsprechenden Vorschlag gemacht hatte. Er könne mittlerweile nicht mehr nachvollziehen, warum der Senat keinen Schritt weitergehe, meinte Dupuis. „Die nehmen das immer noch nicht ernst.“

Aus Solidarität mit den ErzieherInnen staatlicher KiTas legen heute noch einmal die Kollegen aus den KiTas freier Träger und der Arbeiterwohlfahrt die Arbeit nieder. Unterstützung kam gestern von den Ganztagsschulen in Kreuzberg und anderen Bezirken: Dort traten die ErzieherInnen gestern in einen zweistündigen Warnstreik.

anb

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