: Grund und Boden gesetzlich sichern
■ Der Runde Tisch debattierte erstmals über Agrarpolitik / Anpassung an den westlichen Markt / Agrarreformentwurf sieht wirtschaftliche Selbständigkeit der Produktionsgenossenschaften vor
Berlin (taz) - Die erste Aufgabe der zukünftigen DDR -Agrarpolitik wird es sein, das Eigentum an Grund und Boden für alle landwirtschaftlichen Produzenten gesetzlich abzusichern. Doch zur Eigentumsfrage gab es am Runden Tisch in Ost-Berlin, wo am Montag die Agrarpolitik auf der Tagesordnung stand, unterschiedliche Vorstellungen. Der Demokratische Aufbruch verlangte, genossenschaftliches Eigentum neu zu definieren. PDS, die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) und VertreterInnen der Linken setzten sich demgegenüber für eine Sicherung der Bodenbesitzverhältnisse ein.
Am Ende einigte man sich darauf, daß die DDR-Regierung in Gesprächen mit der Bundesregierung vor dem Hintergrund entsprechender Gesetze durchsetzen soll, daß West -EigentümerInnen, die ihren Boden nach DDR-Recht verloren haben, diesen nicht zurückfordern können. Möglicherweise wird ein Lastenausgleich gezahlt, soweit dies noch nicht geschehen ist. Auch Bodenspekulationen sollen verhindert werden. Wie das umgesetzt werden soll, blieb jedoch am Montag noch unklar. Der Runde Tisch verwies die juristische Analyse und Absicherung der Eigentumsverhältnisse an den Rechtsausschuß.
Nach der derzeitigen Rechtslage, beschwichtigte DDR -Landwirtschaftsminister Hans Watzek die verbreitete Unruhe in den LPGs (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften), seien Grund und Boden vor ausländischen Spekulanten geschützt. Minister Watzek sprach sich für eine Anpassung der DDR-Landwirtschaft an den EG -Agrarmarkt aus. Prof.Klaus Schmidt, Leiter der Agrarreform -Arbeitsgruppe im Landwirtschaftsministerium, prognostizierte, daß bei einer überstürzten deutsch -deutschen Vereinigung nur ein Fünftel der zumeist unrentabel wirtschaftenden LPGs überleben würden. Ein Diskussionsentwurf des Ministeriums zur „Wirtschaftsreform in der Land-, Forst und Nahrungsgüterwirtschaft“ soll in den nächsten Wochen in allen LPGs diskutiert werden. Er zielt auf eigenständige, marktorientierte Wirtschaftsführung der Genossenschaften. So sollen die LPGs selbst über ihre Größe und ihre Erzeugnisse sowie die Zusammenarbeit mit ausländischen Unternehmen entscheiden.
Die Versorgung der Bevölkerung sei derzeit gesichert, erklärte Minister Watzek. Akute Schwierigkeiten gebe es jedoch in den überlasteten Schlachthöfen und Kühlhäusern. Die schlimmsten Versorgungsdefizite bei Maschinen und Ersatzteilen sollen durch kurzfristige Importe noch vor der Frühjahrsbestellung gemildert werden. Der Runde Tisch sprach sich dafür aus, von der BRD Energielieferungen zu erbitten, um die Vernichtung weiterer Dörfer und Äcker durch den Braunkohletagebau zu stoppen.
bm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen