: „Ich will kein Simbabwe in Südafrika“
Die weiße südafrikanische Minderheit tut sich aus unterschiedlichsten Gründen schwer mit den jüngsten Entwicklungen im „geliebten Land“ / Während die politisch Liberalen um ihre ökonomische Zukunft fürchten, macht sich rechts viel Unmut über de Klerks „Verrat“ breit ■ Aus Johannesburg Hans Brandt
Der Kampf der britischen Premierministerin Margaret Thatcher gegen ihre EG-Kollegen in Dublin ist in Geschäfts- und Regierungskreisen in Südafrika mit Freude begrüßt worden. Thatcher will einseitig Sanktionen gegen Südafrika aufheben, um Präsident Frederick de Klerk für seine jüngsten Reformen zu belohnen. Thatchers Alleingang hat ihren Status als Heldin und fast einzige internationale Freundin der Weißen in Südafrika erneut bekräftigt. Denn seit der Freilassung von Nelson Mandela und der Legalisierung des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) sorgen sich auch viele politisch sonst liberale Weiße um ihren wirtschaftlichen Wohlstand. „Ich war ja für Mandelas Freilassung. Aber was er über Verstaatlichung sagt, macht mir Sorgen. Wir wollen kein zweites Simbabwe in Südafrika“, so die Reaktion einiger. Am deutlichsten zeigte sich diese Sorge in den Notierungen der Johannesburger Börse. Nachdem Mandela sich für Verstaatlichung von Banken, Bergbau- und Monopolkonzernen ausgesprochen hatte, sackten die Werte mit mehr als zehn Prozent ab. Beruhigende Worte eines ANC-Sprechers wenig später führten zu einer Erholung. Aber das Zittern der Märkte bleibt.
Auch Peter Soal, Parlamentarier der liberalen Demokratischen Partei (DP) gibt zu, daß bei den Weißen Unsicherheit vorherrsche. „Sie fragen sich natürlich, ob der Prozeß friedlich verlaufen wird, was mit ihrem Eigentum geschieht, ob sie ihre Arbeit verlieren könnten“, so Soal. „Aber jede Veränderung bringt eben Unsicherheit mit sich.“ Soal will deswegen zeigen, daß die Weißen dennoch den Grundsatz von Verhandlung und Veränderung unterstützen: Für morgen hat er zu einem Marsch in Johannesburg aufgerufen. Über die Zahl der zu erwartenden Teilnehmer gibt er sich zuversichtlich. „Ich glaube nicht, daß ich der einzige sein werde, der da marschiert.“
Der ultrarechten Konservativen Partei (CP) wird er es wohl kaum nachmachen können - sie brachte letztes Wochenende etwa 40.000 lautstark gegen die Reformen protestierende Weiße auf die Straße. CP-Führer Andries Treurnicht setzt auf Neuwahlen, weil man hofft, die regierende Nationale Partei jetzt schlagen zu können. Vollkommen unrealistisch ist das nicht. Unter traditionellen NP-Anhängern macht sich Unmut breit. „Sechs Monate, nachdem sie alle möglichen Wahlversprechen gemacht hat, hat unsere Regierung die Kommunisten und den von Kommunisten gesteuerten ANC legalisiert, so daß sie offen unsere Leute beeinflussen und unser Land mit ihrer marxistischen Ideologie gefährden können“, schreibt Leser J. Allen in der regierungstreuen Tageszeitung 'The Citizen‘ in Johannesburg. „Vergib mir, Südafrika, geliebtes Land, dafür, daß ich NP gewählt habe.“
In seinen Leitartikeln findet auch der sonst so treue 'Citizen‘ nur mit Mühe positive Worte für de Klerk. „Die Regierung hat so vieles so schnell getan, daß die Menschen dieses Landes einfach nicht alles verstehen und Unruhe und Unsicherheit täglich zunehmen“, heißt es am Dienstag. „Es ist absolut notwendig, daß die Regierung die Mehrheit der Menschen mitnimmt auf den gefährlichen Weg, den sie eingeschlagen hat“ - gemeint ist sicher die Mehrheit der Weißen.
Viele Weiße hat die Regierung aber schon verloren. „Diejenigen, die an ein Mindestmaß demokratischer Ordnung glauben, fühlen sich verraten“, schreibt Leser E.Stark. „Hier wird Angola, Mosambik, Rhodesien (jetzt Simbabwe) und Südwestafrika (jetzt Namibia) wiederholt. Was kommt als nächstes? Ein totalitärer kommunistischer Einparteienstaat mit einer ruinierten Wirtschaft? Wenn das kommt, dann möchte ich lieber tot sein.“ Alarmierend ist auch, daß besonders in den Rängen der Sicherheitskräfte Unruhe zu spüren ist. „Die meisten Polizisten fühlen sich von Präsident de Klerk verraten“, schreibt ein Polizist im 'Citizen‘. Und die Ultrarechten betonen, ihre Unterstützung unter Polizisten und Soldaten nehme immer mehr zu. Wenn das stimmt, könnten Polizei und Militär leicht alle Reformen zunichte machen.
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