: Greifswalds neue Offenheit
■ AKW-Block IV vier Stunden vor TV-Sendung abgeschaltet
Berlin (taz) - Reiner Lehmann, Generaldirektor der Atomzentrale Greifswald, und einige hundert seiner MitarbeiterInnen in der Mensa der ortsansässigen Universität bekundeten ihr „volles Vertrauen in unsere Sicherheitsspezialisten“. Dem Fernsehpublikum der ARD Nordkette N3 ver sprachen sie, künftig über jeden wesentlichen Vorgang hinter den Betonwänden der Atomkraftwerke an der Ostsee Rechenschaft abzulegen.
Ein Abschalten aller vier Reaktorblöcke - Block II ruht seit der vergangenen Woche, Block III soll entgegen den leider auch von der taz verbreiteten Meldungen erst im März vom Netz - komme jedoch erst in Frage, wenn sich im Verlauf der gegenwärtigen Untersuchungen erhebliche Sicherheitsbedenken bestätigen. Das war Dienstag abend zwischen 20.15 und 21.00 Uhr in der Livesendung Deutschland aktuell.
Was weder Direktor Lehmann noch seine Unterlinge dem Fernsehpublikum oder ihren atomkritischen Mitdiskutanten Sebastian Pflugbeil (immerhin Minister des Neuen Forums im Kabinett Modrow), Michael Sailer (Öko-Institut Darmstadt) oder den örtlichen Politikern und AKW-Mitarbeitern von DSU und SPD mitteilen wollten oder konnten, war schon um 16.43 Uhr desselben Tages geschehen: Wegen eines „Kabelschadens“ mußte die Betriebsmannschaft auch Block IV der Pannenzentrale ausknipsen. Das meldeten - vor Beginn der TV -Sendung - 'adn‘ und 'dpa‘. Die DDR-Bevölkerung konnte es nachher den Rundfunknachrichten entnehmen. Eine vertrauensbildende Maßnahme der besonderen Art.
Das Kabel sei „bei der Durchführung sicherheitstechnischer Nachrüstungsmaßnahmen versehentlich beschädigt worden“, sagte Wolfgang Brune, Direktor im KKW Nord. Der Vorfall liege jedoch „außerhalb jeder Zwischenfallskala“. Eine Gefahr habe nie bestanden. Nach der Reparatur solle Block IV heute wieder hochgefahren werden.
Gerd Rosenkranz
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