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Die Hasen des Müllmenschen

■ Begegnung mit dem Verkannten / Beuys'sche Druckgrafik in der Kunsthalle

Viel flüchtiges Getier sieht man, Elche, auf lange Schlitten geduckt, hineinsausend ins Bild, Hirsche, breite, fahrige Striche, die Farbe wie eingetrocknetes Blut; und, klar, auch Beuysens Wappentier, den Hasen, den gehetzten, schlauen, den Überlebenden aus Profession.

Nun ist Joseph Beuys schon vier Jahre tot und dem Bremer Publikum noch immer recht fremd. Es neigt, das Publikum, in seinem Falle zum Kopfschütteln und nennt ihn unter sich, so mutmaßt Kunsthallen-Direktor Salzmann,

einfach den Müll-Menschen. Dem Notstand abzuhelfen, hat die Kunsthalle groß eingekauft, ein wenig dazugeliehen und zeigt nun, ab Sonntag, die Ausstellung Joseph Beuys Druckgrafik aus eigenem Besitz. Späte Werke sind es, rund 70 Exponate, thematisch volle Beuys-Breite - möglich wär's also, der Frage nachzuschweifen: wer war der Müllmensch?

Ein Krakler im besten Sinn, ein Skizzist und strichliger Prozeßzeichner: kein Ding ist, welches bloß in der Welt hockt und währt.

Die Figuren tun miteinander und üben Kraft aus, manchmal reicht ein Pfeil als Andeutung dessen; es gibt Rißzeichnungen von Gestalten und erzählerisches Strichgewirbel, wo sie eingewoben sind. Eine Frau rennt weg mit Gehirn, an anderem Ort zeigen sich Hirsch und Hut vorläufig unbeeindruckt, der Honigtopf aber hat viel mit allem zu tun, und aus des Hirschkopfes Auge träuft eine dicke Zähre. Nichts ist belanglos, alles notiert und überall sind Konnotate, Lockstriche für Abschweifungen eingewirkt.

Man muß ihnen aber nicht hinterherspüren, um Freude zu haben. Wer sich traut, den Beuys einfach mal für einen Witzbold zu halten, wird in der Ausstellung viel zu lachen haben. So ein ernsthafter Mensch ist der Künstler, daß er immerzu mit dem Tod Umgang pflegt und Schafskadaver zeichnet und Hirschskelette und in allem die Bewegung sehen und erfassen kann, die Bewegung, also den Witz.

Manfred Dworscha

Kunsthalle, 25. Februar bis 25. März

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