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Gegen den Griff zur Pille-betr.: "Wie frei macht die neue Pille?", taz vom 2.2.90

betr.: „Wie frei macht die neue Pille?“, taz vom 2.2.90

Wie dem Artikel zu entnehmen ist, sei der trifftigste Grund für die Pille mehr Unabhängigkeit und Selbstbestimmung für Frauen, die abtreiben wollen. Da wir die Einführung und Verbreitung der RU 486 nicht unabhängig von der gegebenen politischen und interessengesteuerten Situation der Pharmaindustrie, Medizin und Forschung sehen wollen, haben wir eine Reihe von Einwänden gegen diese Art Schwangerschaftsabbruch:

Die Unschädlichkeit der Pille ist nicht erwiesen. Die Geschichte der Pharmapolitik zeigt, daß zahlreiche Produkte, die auf den Markt kamen, sich noch im Versuchsstadium befanden, wie etwa die hochdosierten Pillen der ersten Generation, das Mittel DES oder Duogynon und Femovan, die zum Schwangerschaftstest und -abbruch verwandt wurden und schwere Fehlbildungen hervorriefen.

Ein hormoneller Eingriff in den Körper ist nicht unbedenklicher als ein operativer! Selbst wenn vielleicht vielen Frauen der Griff zur Pille angenehmer ist, bleibt ihre Wirkung nicht lokal begrenzt, sondern erstreckt sich auf den gesamten Organismus.

Auch ist der Blutverlust nach Einnahme der Pille höher als bei der Absaugmethode, die, wenn sie mit einer örtlichen Betäubung angewendet wird, weniger belastend ist als mit Vollnarkose. Nicht die Abtreibung durch Absaugen ist riskant und belastend, sondern deren unsachgemäße Durchführung unter entwürdigenden Bedingungen.

Frauen könnten die Pille häufiger oder regelmäßig einsetzen und damit ihrer Gesundheit schweren Schaden zufügen.

In der gegebenen patriarchalen Situation können sich Männer noch leichter der Verantwortung entziehen, indem sie der Frau „danach“ einfach eine Tablette zuschieben. Auch unter diesem Aspekt ein Fortschritt für Männer.

Die Pille festigt die Abhängigkeit von Ärzten.

Ärzte und Pharmaindustrie versuchen Frauen für ihre Hormontherapien zu gewinnen. Sie geben Hormone als Verhütungspille oder als Therapeutikum gegen eine Vielzahl von Krankheiten. Um die Erfolgsquote der RU 486 zu erhöhen, wird die Pille in Kombination mit Prostaglandinen und Schmerzmitteln gegeben. Deshalb müssen aber zusätzliche Nebenwirkungen bedacht werden, und dazu ist die Überwachung und infolgedessen Abhängigkeit und Registrierung über Krankenhäuser notwendig.

Auch ist eine gute Verdienst- und Abrechnungsquelle gegenüber Krankenkassen gesichert.

Mit der RU 486 wird sich die Indikationspolitik nicht zum frauenfreundlichen selbstbestimmten Abtreibungsklima verändern. Ganz im Gegenteil, es ist damit zu rechnen, daß die AbtreibungsgegnerInnen neuen Auftrieb bekommen und weitere Maßnahmen gegen das Selbstbestimmungsrecht der Frauen durchsetzen.

Neue Abtreibungsmittel sind nur dann als glaubhaft zu betrachten, wenn sie gegenüber den herkömmlichen Methoden Vorteile und Verbesserungen für Frauen, die abtreiben wollen, bieten. Und das kann nur im Sinne des uneingeschränkten Selbstbestimmungsrechtes der Frauen geschehen, das heißt unter Abschaffung des § 218.

Katharina Duddeck, Feministisches Frauen-Gesundheitszentrum Berlin e.V.

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