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Picknick zwischen Sauriern

■ Besuch eines Museumsdirektors aus Ost-Berlin im Überseemuseum

„Wir hatten in den ersten drei Wochen dieses Jahres insgesamt mehr Schäden zu verzeichnen, als in den 20 Jahren vor der Öffnung der Mauer,“ erzählt Wolfgang Freydank im Gespräch unter Kollegen im Überseemuseum. „Die Leute kamen zwar scharenweise und doppelt soviel wie sonst in unser Haus. Sie fielen aber auch darüber her: Sie setzten ihre Kinder zum Schnappschuß fürs Familienalbum auf die Tierpräparate, packten Picknick-Körbe aus und frühstückten zwischen den Vitrinen.„Wolfgang Freydank, stellvertretender Direktor des Naturkundlichen Museums in Ost-Berlin, ist zum Gegenbesuch im Bremer Überseemuseum. Er informiert sich über bundesrepublikanische Museen wie es die KollegInnen im vergangenen Herbst über die Museumslandschaft der DDR taten.

Besonders liegt dem Museumschef

chef die Entwicklung seines Hauses, des größten naturkundlichen Museums in Europa am Herzen, mit dem größten ausgestellten Dinosaurierskelett der Welt, das Freydank augenzwinkernd rühmt: 23 Meter lang, 12 Meter hoch, 50 Tonnen schwer, aus 225 Tonnen, in Tansania gefundenen, versteinerten Knochen mühsam herausgelöst, steht der Saurier im Zentrum des Museums. Darüber hinaus wird hier aber auch eine der größten natur

kundlichen Sammlungen der Welt verwaltet. 60 Wissenschaftler arbeiten und forschen hier - „und putzen ihre Büros und Toiletten selbst“, ergänzt Antje Steinberg vom Überseemuseum den bericht des Ostberliner Kollegen. Dies war ihr aufgefallen beim DDR-Besuch im Herbst. Und Freydank erklärt, daß die Putzfrau nur für die Gänge zuständig sei.

Das naturkundliche Museum fiel nach Kriegsende in die Teilungsmasse: Der zugehörige Botanische Garten in Dahlem zählte zu West, das Museum zählte zu Ost. Beide Stadtteile versuchten das je fehlende Element zu ergänzen: Ostberlin plante eine Gartenanlage in Blankenfelde, ein Westberliner Förderverein bemühte sich um eine eigene naturkundliche Sammlung und dessen „Verortung“ im ehemaligen Hamburger Bahnhof - nur rund 100 Meter vom Naturkundemuseum in Ostberlin entfernt. Eine

museale Wiedervereinigung erhofft sich deshalb Freydank in naher Zukunft: Ein aus beiden Sammlungs- und Gebäudeteilen vereintes Naturkundemuseum. Ein erstes gemeinsames Projekt ist geplant: eine Ausstellung zu Bienen und Imkereiwesen.

Zukunftsmusik ist es bislang auch, Ökologie, Natur-und Umweltschutz zu zentralen Themen von naturkundlichen Museen zu machen. Da liege eine große Chance, das Museum als sinnlich erfahrbaren Lernort zu nutzen, was in der museumspädagogischen Theorie der 70er Jahre in der DDR sogar vorreitend formuliert worden sei. An der Umsetzung habe es jedoch bisher gefehlt. Wie sehr auch im Museumsbereich jahrelang „geschönt“ wurde, zeige das Beispiel eines Bergbaumuseums in Gera, das recht anschaulich Stollen und Schachtarbeit darstelle, aber mit keinem Wort erwähnt, daß dort Uran abgebaut werde.

ra

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