: Rasen und Saufen
■ Die Verkehrsrezepte von Fritz Zimmermann für die DDR
Wir dürfen nicht erwarten, daß angesichts der gegenwärtigen Stimmungslage in der DDR ausgerechnet die Verkehrspolitik im Mittelpunkt des Interesses steht. Wo Millionen um ihre Sparbücher, um Arbeitsplätze und ihre Zukunft überhaupt bangen, spielen die Mittel und das Tempo der Fortbewegung nur eine Nebenrolle. Daß sich andererseits der Systemvergleich zwischen Ost und West oft genug gerade unter der Motorhaube entscheidet und der niedlich-kleine Trabi für die selbstgefälligen Westler zum Inbegriff der DDR-Identität geworden ist, sei hier nur am Rande vermerkt.
Wenn die Verkehrspolitik im DDR-Wahlkampf schon keine Rolle spielt, dann wird sie derweil in Bonn gemacht. Dort hat sich der inkompetenteste Minister, der das Verkehrsressort jemals verwaltet hat, Gedanken gemacht, wie er nach dem Anschluß die DDR auf Trab bringen will: mit der Aufhebung von Tempolimit und Alkoholverbot. Das Schlimme an Zimmermanns PS -Imperialismus ist nicht nur das Elefantengebaren, die Arroganz und Selbstverständlichkeit, mit der der BMW-Fahrer schon jetzt in die DDR hineinregiert. Schlimm ist auch, daß diese Forderungen auf eine Bevölkerung treffen, die alles, was jemals von der SED beschlossen wurde, per se als falsch betrachtet. Einschließlich allen Tempobegrenzungen und der gebotenen Alkoholabstinenz am Steuer. Und schlimm ist der Gestus des Wohlstandsrassisten, der den armen schleichenden DDR-Bürger endlich mal in ein anständiges westdeutsches Auto setzen will, mit dem er dann ganz ungehemmt rasen und saufen darf.
Daß Zimmermann die Unfallzahlen in der DDR beiseite schiebt, daß er sie nicht einmal kennt, daß ihn weder Schadstoffwolken noch Smogbelastungen interessieren, ist nichts Neues. Von der DDR lernen? Nein: Das letzte Land Europas ohne eine Tempolimit exportiert seinen Autowahn über die Grenze. Oder geht es nur darum, daß die notorisch volltrunkene CSU-Mannschaft derzeit in der DDR immer mit einem Bein im Gefängnis steht.
Manfred Kriener
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