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Zukunft der Nationalen Volksarmee völlig offen

■ Stoltenberg will sich zu Vorschlägen von DDR-Verteidigungsminister Hoffmannn für ein gesamtdeutsches Bundesheer nicht äußern / Problem einer gesamtdeutschen Armee soll in zukünftigen Verhandlungen geklärt werden / Europäisches Sicherheitssystem bleibt vage

Berlin (taz) - Derzeit kein Diskussionsbedarf, ist der knappe Kommentar der Bonner Hardthöhe auf die Vorschläge des DDR-Verteidigungsministers Hoffmann, zukünftig eine gesamtdeutsche Armee mit maximal 200.000 Soldaten zu schaffen. In einem ersten Schritt, so Hoffmann weiter, könnte eine Armee aus Teilen der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee zusammengesetzt sein, die aber auch in der Anfangsphase 300.000 Mann nicht überschreiten dürfe. Hoffmann betonte, in einer gemeinsamen Armee müsse Platz für Kader beider heute noch bestehender Streitkräfte sein.

Das stellt man sich in Bonn offenbar anders vor. In Genschers Plan einer Nato-Integration mit der heutigen DDR als entmilitarisierter Zone, taucht die NVA gar nicht mehr auf. Stoltenberg, der sich mit seinem Vorstoß, deutsche Soldaten, die nicht dem Kommando der Nato unterstellt sind, an der Oder zu postieren, eine massive Rüge seines Kanzlers einhandelte, hält sich nun völlig bedeckt. Sein Sprecher verweist lediglich auf die im Anschluß an den Stoltenberg -Eklat formulierte gemeinsame Erklärung zwischen Außen- und Verteidigungsministerium, in der die Frage nach einer zukünftigen deutschen Armee späteren Verhandlungen anheim gestellt wird.

Hoffmann, dessen Konzept vorab im Ministerrat der DDR abgesegnet worden war, schlug vor, daß bis zur Bildung neuer gesamteuropäischer Sicherheitsstrukturen zunächst beide Armeen in ihren Bündnissen verbleiben. Mit diesem Vorschlag scheint die DDR erst einmal auf die kategorische westdeutsche Ablehnung eines militärischen neutralen Status für das Vereinigte Deutschland zu reagieren. Darüberhinaus bemüht sich Hoffmann offenbar, die Verunsicherung im Offizierscorps der NVA aufzufangen. Gegenüber der taz erklärte Generalmajor Lehmann bereits vor Tagen, alle bislang in der Öffentlichkeit diskutierten Konzepte seien aus Sicht der NVA weder sinnvoll noch machbar. Die Bundesregierung könne wohl kaum davon ausgehen, daß sich die NVA einfach auflösen werde. Außerdem würde die Rote Armee eine Integration Deutschlands in die Nato nicht akzeptieren.

Für die Erwartung, die jetzigen Widersprüche könnten in einem zukünftigen europäischen Sicherheitssystem gelöst werden, fehlt bislang allerdings noch jede materielle Basis. Gegenüber der taz verwies Stoltenberg-Sprecher Lang darauf, daß die Formel „europäische Sicherheitsordnung“ bislang ohne jeden Inhalt sei. Das sei die große Aufgabe der kommenden KSZE-Konferenz.

Jürgen Gottschlich

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