Es hat sich ausmarschiert

Alliierte Parade in West-Berlin: Momper sprach in Washington überraschend mit US-Verteidigungsminister über die Militärjubelparade - und der hatte nichts gegen die Einstellung des Spektakels / Diepgen: „Verletzend“ / US-Alliierte in Berlin wurden von der taz überrascht...  ■  Aus Washington Kordula Dörfler

Nun ist es amtlich: Nach einem kurzfristig anberaumten Gespräch zwischen dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper und US-Verteidigungsminister Richard Cheney in Washington kann nach Angaben von Senatssprecher Kolhoff davon ausgegangen werden, daß in diesem Jahr keine Militärparade mehr in West-Berlin stattfindet.

Cheney hatte beim zweitägigen Besuch von Momper in Washington von sich aus überraschend um ein Informationsgespräch gebeten, um sich über die Lage in Berlin und der BRD informieren zu lassen. Allgemein ist das Interesse der Amerikaner in Washington an der aktuellen Deutschlandpolitik sehr groß, und man ist dort in politischen und diplomatischen Kreisen sehr interessiert an Auskünften und Einschätzungen aus erster Hand. Bei dem Gespräch, das eine knappe halbe Stunde dauerte, bekräftigte Momper seinen Standpunkt, daß ein Abhalten der Alliierten -Parade am Pfingstsonntag historisch nicht mehr angemessen sei. Auf seine Äußerung, daß man sich in Berlin mit den West -Alliierten im Prinzip einig sei, keine Parade mehr zu veranstalten, habe es keinen Widerspruch gegeben, so Kolhoff. „Man kann davon ausgehen, daß sie nicht mehr stattfindet“, bekräftigte der Senatssprecher.

Damit wurden die US-Dienststellen in West-Berlin gestern nachmittag von der taz überrascht. Ein Sprecher: „Es scheint, daß die Verbindungen zwischen taz-Korrespondenten und taz-Redaktion schneller sind als zwischen US-State -Department und US-Mission.“ Erste Stellungnahme des Sprechers: „Wir werden weiterhin mit dem Senat über dieses Thema reden.“ „Verletzt“ zeigte sich Oppositionschef Diepgen. „Das Verhalten des Regierenden Bürgermeisters in den USA ist völlig unangemessen und verletzend. Herr Momper verkennt die Leistungen der Alliierten zum Schutz der Berliner in den vergangenen Jahrzehnten.“ Ein weiteres Thema war die Reduzierung der amerikanischen Truppen in West -Berlin. Noch beim letzten Zusammentreffen mit Momper im vergangenen Oktober in Berlin hatte Cheney die Ansicht vertreten, eine Reduzierung der Truppen in Berlin könne erst am Ende der Entwicklungen in Osteuropa und der BRD stehen.

Dieser Standpunkt wurde nun offensichtlich einer Revision unterzogen. Die Reduzierung der alliierten Truppen in Berlin soll jetzt parallel zum allgemeinen Abbau in Europa diskutiert werden. Derzeit sind in Berlin gut 12.000 Soldaten stationiert, über die Hälfte davon amerikanischer Herkunft. Momper stellte auch bei Cheney seinen in London präsentierten Plan vor, demzufolge Berlin und die DDR nach der Vereinigung einen entmilitarisierten Status haben sollen. Bis zur Schaffung einer europäischen Friedensordnung sollen Berlin und die DDR frei von deutschen Truppen und in sicherheitspolitischen Fragen nach wie vor den Vier Mächten unterstellt sein.

In der DDR sollen im gleichen Umfang sowjetische Truppen stationiert sein wie westliche in der BRD und West-Berlin. Für sie soll dann allerdings nicht mehr das Besatzungsstatut, sondern ein Stationierungsstatut wie für die Nato-Truppen in der BRD gelten. Momper hat gestern auch Kritik an den Äußerungen von Kohl am Wochenende im Camp David geübt und es als politisch und strategisch falsch bezeichnet, so ein „Geeiere“ um die Anerkennung der Westgrenzen Polens zu veranstalten.

kd/anb/taz

(Siehe auch Bericht zu den CDU-Reaktionen auf Seite 22)