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Der kleine Frechdachs

Charles Barkley: Enfant terrible des US-Basketballs  ■  PRESS-SCHLAG

Charles Barkley von den Philadelphia 76ers ist unumstritten einer der lustigsten Burschen in der amerikanischen Basketball-Liga NBA. Doch nicht immer verbreiten seine Späße ungeteilte Freude. Das mußte der flinke Zwei-Zentner-Mann jetzt erfahren, als er ins Hauptquartier der NBA an der New Yorker Fifth Avenue zitiert wurde und vom Commissioner David Stern höchstpersönlich 5.000 Dollar Strafe aufgebrummt bekam. Der Grund: kurz vor Schluß der hart umkämpften Partie zwischen den 76ers und den New York Knicks hatte Barkley mit seinem Kontrahenten Mark Jackson, der ebenfalls 5.000 Dollar berappen mußte, um 500 Dollar gewettet, wem wohl noch der große Wurf in diesem Match gelingen würde.

Die Unsitte, private Wettgeschäfte während eines NBA -Spieles zu tätigen, fand nicht das Wohlgefallen des Mister Stern, was Barkley allerdings wenig kümmerte. Als er mit Jackson gemeinsam das NBA-Gebäude verließ, waren die beiden schon wieder in einen munteren Streit verstrickt, welches ihrer beiden Teams wohl die Atlantic Division gewinnen würde. „Wetten wir doch“, schlug Barkley völlig ungeläutert vor und erzählte später, er habe mit Jackson vorher auch schon darum gewettet, ob sie wohl vom Verband gesperrt würden oder nicht.

Eine andere Wette hätte der mit 1,93 ziemlich kleine Korbjäger, der vor Saisonbeginn in Philadelphia einen Neunjahresvertrag über 29 Millionen Dollar unterzeichnet hatte, mit Sicherheit verloren. „Es wird nie wieder einen solch kleinen Spieler wie mich geben, der so unter dem Korb spielen kann. Ich wette, daß in den letzten sechs Jahren kein Spieler mehr rebounds als ich geschafft hat. Und wenn man die Punkte der letzten sechs Jahre zusammenzählt, bin ich unter den besten Fünf oder Sechs.“

So ganz stimmt das nicht - aber fast. Einzig Akeem Olajuwon hat mehr rebounds, und genau sechs Akteure (Michael Jordan, Dominique Wilkins, Alex English, Olajuwon, Larry Bird und Clyde Drexler) schafften mehr Punkte. Die aber sind allesamt viel größer. Kein Wunder, daß Pat Riley, Coach der Los Angeles Lakers, Barkley für „einzigartig“ hält, und John Nash, Manager der 76ers, sagt: „Er hat unglaublich starke Hände, er fängt alles, was in seine Nähe kommt, er ist ein außerordentlicher Dribbler, und er kann schneller in die Luft springen als alle, die ich je gesehen habe.“

Nebenbei beliebt Barkley zu scherzen. Mit Vorliebe über die Schiedsrichter und darüber, daß man diese ruhig beschimpfen darf, wenn man sie dabei bloß nicht anspuckt, eine eindeutige Benachteiligung der Spieler mit feuchter Aussprache. Eigentlich seien die Referees ja überflüssig, findet er, aber: „Die weißen Typen brauchen ja auch irgendetwas zu tun, und die Spieler sind schließlich alle schwarz.“ Niemand ist vor seinen spitzen Bemerkungen sicher, die eigenen Mannschaftskameraden nicht, und schon gar nicht die Journalisten. „Ich hätte nie gedacht, daß man so viele häßliche Kerle auf einen Schlag zusammenbekommen kann“, war einmal sein erster Satz auf einer gutbesuchten Pressekonferenz.

Kopfschmerzen bereitet dem eigenen Team sein unbändiges Temperament, das ihn zum absoluten Spitzenreiter auf dem Gebiet der technical fouls macht. Keine Schlägerei, Schreierei oder Schiedsrichterbeleidigung, bei der Barkley nicht mitmischt, wenn es sein muß, auch mit feuchter Aussprache. Ein anderer Umstand, der den Mannschaftskollegen gelegentlich die Haare zu Berge stehen läßt, ist seine Leidenschaft, sich kurz vor Spielschluß an Dreipunktwürfen zu versuchen. 53mal hat er es in dieser Saison probiert, fünfmal traf er. Die mieseste Quote der NBA, was ihn aber nicht weiter kümmert: „Das ist nicht schlecht. Andere haben gar keinen geschafft.“ Auch zuweilen gehegte Zweifel an seinen geistigen Kapazitäten wischt er locker vom Tisch: „Man kann nicht sechs Jahre lang solche rebounds und Körbe machen wie ich, ohne intelligent zu sein. Nicht mit 1,93 Meter.“

Manager Nash jedenfalls hat sich längst mit dem facettenreichen Charakter seines Stars abgefunden: „99 Prozent von Charles Barkley sind gut. Das andere Prozent könnte man ändern wollen. Aber wer weiß, was dann mit den übrigen 99 Prozent passieren würde. Wir in Philadelphia haben uns angewöhnt zu sagen: 'Wenn du Charles Barkley bekommst, bekommst du die ganze Portion.'“

Matti

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