: Ortega zur Opposition bereit
Violeta Chamorro fordert Contras auf, die Waffen niederzulegen / Sandinisten bereiten sich auf neue Rolle vor / Uno-Verteidigungsminister würde akzeptiert ■ Aus Managua Ralf Leonhard
In Nicaragua scheint sich eine erstaunlich friedliche Übergangsphase anzubahnen, die in Lateinamerika in dieser Form keinen Präzedenzfall hat. Eine revolutionäre Bewegung, durch den bewaffneten Kampf an die Macht gekommen, hat nicht nur die Spielregeln freier Wahlen akzeptiert, sondern schickt sich auch ohne Proteste in die Oppositionsrolle. Dies wird von allen Beobachtern, die mit den Sandinisten wenig zu tun haben, als große Tat gewürdigt. Verhandelt wird zur Zeit zwischen dem sandinistischen Nationaldirektorium und der Uno-Führung einzig über die Contras und die Garantie vor Verfolgung. Sollte die Uno die Contras aus Honduras mit ihren Waffen ins Land kommen lassen oder gar in die Armee integrieren wollen, würden sich die sandinistischen Streitkräfte zur Wehr setzen. Einen Verteidigungsminister der Uno würden sie jedoch akzeptieren.
Violeta Chamorro, die am Montag strahlend den Gratulationsbesuch von Daniel Ortega entgegennahm, versprach, daß die Contras entwaffnet werden sollten und legte ihre Hand dafür ins Feuer, daß die Uno-Regierung keine Hexenjagd inszenieren würde. Die von Honduras aus operierenden Contras lehnen es jedoch ab, ihre Verbände aufzulösen und ihre Waffen niederzulegen. Contra-Führer Isreael Galeano sagte am Dienstag, die Contra-Truppen würden bis zum endgültigen Regierungswechsel unter Waffen bleiben, den Sandinisten sei nicht zu trauen.
„Der Regierungswechsel bedeutet keinesfalls das Ende der Revolution“, verkündete am Dienstag der abgewählte Präsident Daniel Ortega vor Tausenden von Anhängern in Managua. Ortega hatte zuvor mehrere Stunden mit den politischen Kadern der sandinistischen Gewerkschaften und Massenorganisationen diskutiert und die Rolle der FSLN als Oppositionspartei vorgezeichnet. Dabei versuchte er vor allem der Basis klarzumachen, daß die FSLN in Zukunft als Opposition arbeiten muß, und ihr gleichzeitig Mut und Zuversicht zuzusprechen. Er legte sein Wort dafür ein, die Partei werde die Errungenschaften der Revolution auch in ihrer neuen Rolle mit allen Mitteln verteidigen. Zuallererst müßte die Contra demobilisiert werden und ihre Gefangenen freilassen. Die Aktivisten feierten Ortega, als hätte er die Wahl gewonnen, akzeptierten aber die Aufrufe zur Besonnenheit und zur Vermeidung gewalttätiger Zusammenstöße.
Die Sandinisten haben einiges in der Hand, um der Uno das Regieren schwer zu machen. Nach dem bisherigen Stand der Stimmauszählungen werden die Sandinisten 38 der 92 Parlamentsabgeordneten stellen und somit über eine Sperrminorität gegen Verfassungsänderungen verfügen. Zu einer Parlamentsmehrheit von 55 Abgeordneten - das sind 60 Prozent der Stimmen - fehlen der Uno bislang 4,8 Prozent. Der frisch gewählte Vizepräsident Godoy hat in diesem Zusammenhang dem Obersten Wahlrat vor geworfen, die Wahlunterlagen zum Nachteil der Uno zu mani pulieren.
Auch außerhalb des Parlaments, über Gewerkschaften und andere Massenorganisationen können die Sandinisten Druck machen. „Wir werden darüber wachen, daß Versammlungsrecht, Demonstrations- und Pressefreiheit gewahrt bleiben“, kündigte Ortega an.
US-Kongreßmitglieder bezweifeln schon jetzt, ob die USA die von der Uno geforderte Wirtschaftshilfe in vollem Umfang bewilligen werden: Chamorro-Berater und Ex-Contra Alfredo Cesar hatte angekündigt, Nicaragua brauche „für einen kräftigen Anstoß“ im ersten Jahr 300 bis 400 Millionen Dollar und danach jährlich 150 bis 200 Millionen Dollar.
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