: Scherf- gegen Franke-Fans
■ Senatorenkrach spaltet Bildungsbehörde mittendurch: „Sparzahlen schon lange leid“ - Scherf-Fürsorge vermißt
„Schadenfroh“, „ganz schön angefaßt“, „gelassen bis hängengelassen“ - in die beamtenhaft-nüchternen Dienstzimmer der Bildungsbehörde sind seit gestern die Emotionen und Betroffenheiten gefahren wie Hexengerüchte in eine bayerische Kirchgemeinde. Die ruf-demontierenden Zweifel an ihrer Planungskompetenz in der Bürgerschaft und der anschließende Krach zwi
schen ehemaligem und amtierendem Senator (vgl. taz vom 2.3) ist Bremens BildungsplanerInnen ganz schön an die Beamtenehre gegangen. Und: hat die Bildungsbehörde mitten durch in Scherf-Verständige und in Franke-Nachtrauerer gespalten.
Wie vom Donner gerührt hatten die einen die Parlamentsdebatte verfolgt, in der ihnen von der versammelten Opposition
vom neuen Amtschef nahezu unwidersprochen - „völlige Inkompetenz“ bescheinigt wurde. Spätestens am Mittwoch bekamen sie obendrein schriftlich, welchen Eindruck sie hinterlassen hatten: „Saustall“ kommentierte der Weser -Kurier. Doppelt verdattert reagierten sie, als sie bei ihrem neuen Chef auch jetzt noch wenig Neigung erkennen konnten, den fatalen Vergleich aus der Welt zu schaffen: „Wenn wir unter Frankes Regie so angepinkelt worden wären, hätte der postwendend gegengehalten. Franke hat sogar wegen kleiner Leserbriefe große Pressekonferenzen zusammengetrommelt“, trauerte einer der Beamtenfürsorglichkeit seines Ex-Chefs nach.
Abteilungsleiter und leitende Beamte haben bei Scherf inzwischen um ein Gespräch nachgesucht, um zu klären „wie dieser unerklärliche Eindruck in der Öffentlichkeit entstehen konnte.“ Auch auf der SPD-Betriebsgruppensitzung erwarten Beamte mit Parteibuch eine Klarstellung von Scherf über Scherf.
„Ich gehe davon aus, daß Sena
tor Scherf alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu einer sachlichen Richtigstellung nutzen wird,“ hoffte Scherfs oberster Bildunsgplaner Walter Freitag gestern. Freitag erklärt sich das „unglückliche Bild, das jetzt entstanden ist“ vor allem mit Scherfs Rede-Zeitdruck in der Bürgerschaftsdebatte: „Der Senator hatte ganze drei Minuten, um die komplizierten Zusammenhänge aufzuklären.“ An mangelnder Mitarbeiter-Zuarbeit könne es jedenfalls nicht gelegen haben: „Scherf hatte alle Vorlagen. Für die Bürgerschaft ist ihm außerdem der übliche Sprechzettel erarbeitet worden.“
Gar nicht bösesein können andere Behördenmitarbeiter ihrem neuen Chef: Die Zahlen, die Scherf in der Debatte partout nicht verteideigen wollte, sind auch für sie nicht mehr zu verteidigen. Erstens weil sie objektiv falsch und zweitens, weil es politische Sparzahlen seien: „Wir sind schließlich nicht nur Beamte, wir sind auch Eltern und Gewerkschafter. Jahrelang mußten wir hier die Lehrerstellen rausrech
nen, die unseren Kindern hinterher fehlten.“
Unabhängig von der bildungsbehördlichen Teilung in Scherf -und Franke-Fans ist inzwischen eine weitere Streit-Front eröffnet: Der Schwarze Peter, wer für die prognostischen Fehltritte verantwortlich sei, wird nach Kräften zwischen Senatskanzlei und Bildungsbehörde hin- und hergeschoben: Wir haben immer höhere Zahlen angenommen, hatten aber unsere Basis-Vorgaben aus der Senatskanzlei. Und die wollte Sparkonzepte haben, macht man am Rembertiring - neben Volkszählung, einem statitisch unvorhersehbaren Zeugungs und Gebärfreudigkeits-Knick und Aussiedler-Zuwanderung auch das Rathaus und dort verordnete Sparzwänge für die Fehlkalkulation verantwortlich. In der Senatskanzlei will man von „schlechtgefärbten Eckzahl-Vorgaben“ allerdings nichts wissen. Bei allen Prognosen sei grundsätzlich erst nach bestem Wissen gerechnet, dann politisch bewertet und begründet gespart worden. Nie umgekehrt.
K.S.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen