: Die große Frauenkoalition von Bonn
Parteiübergreifend, selbstbewußt und offensiv ging das „Frauenbündnis 90“ in der Bundeshauptstadt an die Öffentlichkeit / Schoppe, Hamm-Brücher, Süssmuth und andere stritten gegen neuen Nationalismus und für die Bewahrung der demokratischen Kultur ■ Aus Bonn Susanne Düwel
Starke Worte erstarkender Frauen: Vom „Ende der Herrenjahre“ am Ende dieses Jahrhunderts war die Rede und von der Pflicht der Frauen, die demokratische Kultur zu erhalten in diesen schwierigen, wandelbaren Zeiten. Ist es endlich vorbei mit den leisen Tönen und mit weiblicher Behutsamkeit?
Am Donnerstag hat sich in Bonn das - dort spontan so getaufte - „Frauenbündnis 90“ der Presse vorgestellt. Parteiübergreifend, selbstbewußt, offensiv. Nach den Europawahlen haben sich die Damen des öffentlichen Lebens zum ersten Mal zu „grenzüberschreitender Zusammenarbeit“ getroffen und konnten da noch nicht wissen, welche Grenzen zu überschreiten sein würden. Denn der Schlange, die sie bekämpfen wollen - Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit - sind mit der neuen deutschen Welle neue Köpfe gewachsen. Es sind (fast) alle dabei, die Rang und Namen haben auf bundesdeutschen Bühnen: Hildegard Hamm -Brücher, Monika Wulf-Mathies, Ursula Engelen-Kefer, Carola Stern, Waltraud Schoppe, Heidi Wieczoreck-Zeul und natürlich Rita Süssmuth. Das Kredo umschreibt die Präsidentin des evangelischen Kirchentages, Eleonore von Rotenhan so: „Für Frauen heißt Patriotismus, Verantwortung für Frieden und Gerechtigkeit zu tragen über alle Grenzen hinweg.“ Ihre katholische Kollegin Anneliese Lissner bekommt eine Gänsehaut, wenn Menschenmassen „Deutschland, einig Vaterland“ intonieren. Sie berichtete von ihrer Jugend in Nazi-Deutschland.
Auch die dienstälteste Parlamentarierin im deutschen Bundestag, Hildegard Hamm-Brücher, verspürt einen Prozeß „schleichender Enthumanisierung“, in dem das wiederaufsteht, „was wir 40 Jahre lang versucht haben, abzuarbeiten“. Sie erklärt, daß es „wir Frauen“ sind, die gefährlichen nationalistischen Tendenzen, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Überheblichkeit Einhalt gebieten müssen: weil nämlich Parteizugehörigkeit Frauen nicht blind mache für die Werte der demokratischen Kultur, die „im Jahr der Wahlen und des Umbruchs besonders leicht beschädigt werden können“. Sie merkt aber auch kritisch an, daß es in der deutsch-deutschen Diskussion bisher kaum Beiträge von Frauen gegeben hat. Und jetzt?
Immerhin haben die 15 Frauen auf dem Podium politische Redekultur vorgemacht. In den wenigen Minuten Redezeit, die jede ohne Selbstdarstellung einhielt, blieb von der Arbeitslosigkeit bis zur Kinderbetreuung kein gesellschaftliches Problem ungenannt. Dabei wurde mit großen, eindringlichen Worten nicht gespart. Fraglich ist allerdings, ob die nachdenkliche Frauenkoalition auch mit Taten ein politischer Faktor werden will - gegen Parteiräson und Machtkalkül.
Karin Hempel-Soos forderte zum Schluß die Journalistinnen auf, das Gehörte in die Welt zu tragen. Frauen beschwören Frauen.
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