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Allegorie im Gegenlicht

■ Premiere „Der Kampf des Negers und der Hunde“ von Koltes im Concordia / Endlich gutes Schauspiel

Wir gehen die enge, schmale Treppe hinauf, deren Wände und Decken rot ausgeschlagen sind, hinauf in den roten Zuschauerraum. Wir nehmen Platz auf roten Sesseln und schauen hinunter auf den noch geschlossenen roten Vorhang. Wir sitzen im Concordia, gleich beginnt „Der Kampf des Negers und der Hunde“ von Bernard Marie Koltes. Nach fast dreistündiger Spielzeit steht fest: Es ist die mit Abstand beste Schauspiel-Inszenierung der laufenden Spielzeit. Koltes, der neben Heiner Müller einzige zeitgenössische Dramatiker, den der französiche Regie-Papst Chereau für inszenierungswürdig hält, hat in seinem Leben noch keinen ernstgemeinten Satz geschrieben (Koltes über Koltes). Doch es dauert einige Zeit, Komik in seinem Stück zu entdecken.

Nebel auf der Bühne, im grellen Gegenlicht ist die hockende hagere Gestalt kaum wahrzunehmen. Eine ausgezeichnete Raumlösung des Bühnenbildners Florian Parbs. Kontrastierend zum plüschigen, engen, gemütlichen Zuschauerraum die karge, trostlose Tiefe, die cinemascopartige Breite der Kulisse. Der farbige Alboury (Bereket Andebrhan) kommt, den Leichnam seines getöteten, genauer ermordeten, Bruders zu holen. Mit einem Speer zieht er einen großen Halbkreis in den Staub, zwischen sich und Horn (Fried Gärtner), den weißen Chef der französischen Baustelle in Afrika. Eine imaginäre Grenze zwischen zwei Rassen.

Alboury erzählt allegorisch: Eine kleine Wolke schob sich einst zwischen ihn und die Sonne, die ihn frieren ließ, während alle Leute um ihn herum schwitzten. Sein Bruder fror auch, also wärmten sie einander. Doch die Wolke verschwand nicht, folgte ihnen überallhin, stand immer zwischen der Sonne und ihnen. Die Frauen, die sie hatten, hängten sich bei ihnen ein und fingen an zu frieren. Die Mütter kamen zu ihnen, ihre Kinder, die Kinder der Kinder, eine unzählbare Familie, aus der sogar die Toten niemals

herausgerissen wurden, wegen der Kälte unter der Wolke. Deshalb ist Alboury gekommen, um den Körper seines toten Bruders zu verlangen. Obwohl er tot ist, brauchen sie seine Wärme, um sich zu wärmen; er braucht ihre, um seine zu behalten.

Horn versteht nicht, Horn redet. So wie alle Charaktere ununterbrochen gegen die Angst, die ganz persönliche Angst anreden. Horn hat Angst vor dem Altern, und hat die junge hübsche Leone aus Paris kommen lassen. Leone (Michaela Mazac) hat Angst, für

ihr Glück kämpfen zu müssen; sie glaubt an die Wiedergeburt und erkennt die Blume unter der sie schon einmal begraben war. Alboury fürchtet die Weißen und deren Hunde. Cal, der weiße Vorarbeiter, wurde zum Mörder, aus Angst, sein letztes bißchen Selbstbewußtsein zu verlieren - ein Farbiger hatte ihm vor die Füße gespuckt. „Wir werden still sein, wenn wir uns verstehen.“ Doch diese Stille gibt es nur kurz, einen Moment lang schweigen die Stimmen, es sprechen die Körper von Leone und Alboury.

Mit der Inszenierung von Gerhard Willert hat das junge Bremer Ensemble endlich zu einer geschlossenen schauspielerischen Leistung gefunden. Die Arbeit eines Regisseurs ist spürbar, der die Fähigkeiten der SchauspielerInnen erkennt, sie führen kann und ihnen gleichzeitig Raum zu eigener Interpretation läßt. So entsteht eine immens starke Bühnenpräsenz, die Charaktere leben. Insgesamt eine weit über dem Durchschnitt liegende Arbeit aller Beteiligten, die für die nahe Zukunft hoffen läßt, zumal Regisseur Willert noch von einem ungeheuren Leistungsdruck am Premierenabend und großer Nervosität berichtete, so daß nur „mit 70%iger Kraft gefahren werden konnte“.

Jörg Oberheide

Nächste Vorstellungen: 10., 13., 15., 17., 18.3.90 (und mehr).

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