: Springt das „Virchow-Virus“ über?
■ Dienst nach Vorschrift gegen finanzielle Kürzungen und Abteilungsschließungen am Virchow-Klinikum: Weitere Krankenhäuser in West-Berlin erwägen Solidaritätsaktionen
„Geben Sie dem Klinikum bis Anfang 1992 Ruhe“, dies verlangt der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Rudolf Virchow (UKRV), Wulsten, in einem der taz vorliegenden Schreiben an Wissenschaftssenatorin Riedmüller und Gesundheitssenatorin Stahmer. Denn, so Wulsten, sollten die geplanten Einsparungen von 8 bis 11 Millionen Mark und die damit verbundenen Schließungen der Abteilungen Augen, HNO und Neurologie tatsächlich vorgenommen werden, sei ein „geordneter Krankenhausbetrieb am Standort Wedding der UKRV nicht mehr sicherzustellen“. Deshalb solle erst nach der Grundsanierung des chirurgischen Bettenhauses im Zusammenhang mit dem neuen Krankenhausplan über die Bettenzahl neu entschieden werden. Wulsten beruft sich dabei auf einen Beschluß des Errichtungskuratoriums vom Juli 1989, wonach während der Übergangszeit der Standort Wedding mit Maximalversorgung erhalten werden soll und sich das Kuratorium sogar vorbehält, „ggf. auch die Bettenzahl dem Bedarf entsprechend zu erhöhen“.
Die Wissenschaftsverwaltung will dagegen augenscheinlich ihre Planung durchziehen: 16,8 Millionen Mark beträgt das Defizit des UKRV. Die Hälfte davon übernimmt der Senat - den Rest soll das Klinikum selber einsparen. Doch der ehemalige Generalbeauftragte Heini Neher weigerte sich - und das kostete ihn den Chefsessel. Sein Nachfolger, Bernhard Motzkus, will nun in vier Wochen eine Personalbedarfsanalyse und einen neuen Wirtschaftsplan vorlegen, bis dahin werden die geplanten Schließungen ausgesetzt. Doch die Beschäftigten wollen mehr: die schriftliche Zusage, daß sich die von Stahmer angekündigte Aussetzung des Krankenhausplanes auch auf die Universitätskliniken bezieht.
Für erste Annäherungen sorgen soll nur ein „Runder Tisch“, der am Freitag das erste Mal tagt. Der „Dienst nach Vorschrift“ wird dafür nicht unterbrochen - im Gegenteil erwägen jetzt auch andere Krankenhäuser, sich aus Solidarität anzuschließen.
Martina Habersetzer
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