: Feste Quotierung
Schwedische Spieler setzten beim Eishockey und Bandy auf sich selbst, verloren - und strichen die Kronen ein ■ P R E S S - S C H L A G
Auch richtigen Sport gab es an diesem Wochenende in Schweden, die Eishockey- und Bandymeisterschaften befinden sich in der Schlußphase. Das große Interesse richtete sich aber weniger auf die aktuellen Spiele, sondern auf drei Begegnungen in diesen Sportarten, die schon im Januar gespielt wurden.
Wenn die von der Abendzeitung 'Expressen‘ verbreiteten Informationen zutreffen, bahnt sich im Lande ein bislang beispielloser Sportskandal an. Eine organisierte Sportmafia soll innerhalb von fünf Wochen die staatlichen Totogesellschaft „Tipstjänst“ um mindestens 50 Millionen Kronen (etwa 18 Millionen DM) erleichtert haben: Dreimal spielten Spitzenclubs gegen krasse Außenseiter - und verloren völlig unerwartet.
Jedenfall für die Szene der WetterInnen. Die Spieler selbst waren wohl weniger überrascht: Sie sollen ordentliche Summen auf sich selbst gesetzt haben - beim „Oddsset“. So heißt im schwedischen Wettgeschäft ein Spielsystem, bei dem auf den Ausgang einzelner Spiele gesetzt werden kann. Oddset spielte eine etwa 20jährige Frau vor einigen Wochen in einer Wettannahmestelle in Falun. Der Inhaber kann sich noch genau erinnern: „Sie zog 345.000 Kronen bar aus der Tasche. Da der Höchsteinsatz pro Kupon 500 Kronen sind, dauerte es drei Stunden, bis ich sie bedient hatte. Sie verließ meinen Laden mit 690 Spielkupons.“ Beim nächstenmal durfte sie knapp 1,6 Millionen Kronen mitnehmen, dank eines Außenseitersiegs und einer Quote von 4,57.
Das, was sich in Falun tat, spielte sich gleich in zehn, zwölf anderen Orten ab - auch bei einem weiteren Eishockey und einem Bandymatch. Tipstjänst berechnet den Verlust durch die „auffälligen Großeinsätze“ auf drei Außenseitermannschaften auf 40 bis 50 Millionen Kronen: Es wurde mehr an Gewinnen ausgeschüttet, als eingenommen worden war.
Die Möglichkeit, daß anders als bei Monopoly auch einmal die Bank verlieren kann, beruht auf einer Besonderheit von Oddset: Die Quoten liegen einige Tage vor dem Spiel fest. Unabhängig davon, welche Beträge auf Sieg oder Niederlage gesetzt werden. Statistisch geht das auf: Von der etwa einen Milliarde, die jährlich gespielt werden, verbleibt fast die Hälfte in den staatlichen Tipstjänst-Taschen. An manchen Spieltagen müssen aber über 100 Prozent ausgezahlt werden wie gehäuft im Januar. Die festliegenden Quoten sind andererseits ein großer Anreiz zu Manipulationen: Weiß man, wie das Spiel ausgeht, geht es nur noch darum, so viel Kronen wie möglich zu setzen.
Die TipperInnen bleiben anonym, die Kupons sind die einzige Quittung. Diese Anonymität wird es nach Meinung von Juristen auch unerhört schwer machen, Wettbetrügern auf die Spur zu kommen; auch, wenn noch in dieser Woche vermutlich der Reichsstaatsanwalt die gesamten Nachforschungen bei seiner Behörde zusammenführen wird.
Die betroffenen Vereine und Verbände zeigen sich von den Anschuldigungen frustriert. Rikard Fagerlund, Vorsitzender des Eishockeyverbands: „Entweder es steckt was hinter der Sache, dann ist das natürlich ganz schlimm. Oder alles verläuft im Sande, dann ist das fast genauso schlimm, weil der Verdacht bleibt. Es ist hoffnungslos.“
Die Dauergäste in den Wettbüros zeigen sich bislang wenig verunsichert: Die Einsätze am Samstag lagen auf gewohntem Niveau.
Reinhard Wolff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen