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Pfalz bis Herbst chemiewaffenfrei

Stoltenberg und der Mainzer Innenminister Geil geben den vollständigen Abzug der US-Chemiewaffen bis Herbst bekannt / Alle Giftgasgranaten lagern im US-Depot Clausen im Pfälzer Wald / Transport per Bahn nach Nordenham und dann per Schiff in den Pazifik  ■  Von Nowakowski/Weidemann

Bis zum Herbst des Jahres soll es in der Bundesrepublik keine Chemiewaffen mehr geben: Die USA wollen bis zum September ihre tödlichen Nervengase ersatzlos abziehen. Die über 400 Tonnen Kampfstoffe - eingeschlossen in über 100.000 Artilleriegranaten mit einem Gewicht von über 7.000 Tonnen sollen zur Verbrennung in das pazifische Johnston-Atoll geschafft werden. Die ausschließlich in einem US-Depot im rheinland-pfälzischen Clausen gelagerten Chemiewaffen sollen mit Lastkraftwagen und Bundesbahn abtransportiert und in Nordenham verschifft werden, teilte Bundesverteidigungsminister Stoltenberg vor der Presse mit. Der Transport werde unter größtmöglichen Sicherheitsvorkehrungen geschehen; durchgeführt wurden bereits „intensive Brand- und Falltests“ in den USA, erklärte Stoltenberg zu den Bedenken gegen die Transporte. Die tödlichen Nervengase seien in den Geschossen aus dickwandigem Stahl „gegen extreme mechanische Einwirkung widerstandsfähig“ und würden ohne Zünder transportiert.

Die Modalitäten des vorzeitigen Abzugs wurden im vergangenen Monat mit den USA vereinbart. Bislang hatten die USA lediglich versprochen, die Chemiewaffen bis Ende 1992 abzuziehen. Unklar bleibt weiterhin, wieviel Chemiewaffen die USA weltweit besitzen. Die 'Washington Post‘ hatte gemeldet, die in der Bundesrepublik gelagerten 435 Tonnen Nervengas machten 6,6 Prozent der Gesamtmenge aus. US -General Heldstab nannte dagegen in Bonn die Zahl von einem Prozent und dementierte die 'Post'-Meldung ausdrücklich. Damit aber hätten die USA nicht, wie bisher von ihnen bei den Genfer Chemiewaffengesprächen vertreten, weltweit 30.000 Tonnen Nervengase gelagert, sondern über 43.000 Tonnen.

Der rheinland-pfälzische Innenminister Rudi Geil (CDU) erläuterte gestern die Details des Abtransports in Mainz. Die Kampfstoffe werden danach von Juli an per Lkw und Bahn vom pfälzischen Giftgaslager Clausen via Miesau nach Nordenham gekarrt. Bonn und Mainz ließen gestern jedoch die genauen Routen und den Zeitplan aus Angst vor Terrorakten offen.

An „30 Werktagen“ sollen nun Lkw-Konvois mit „je 70 Fahrzeugen“ das Giftgas von Clausen sicher in das ans Gleis angeschlossene US-Depot Miesau bringen. Nur „jedes dritte Fahrzeug“ des Konvois ist mit Giftgas bestückt. Der Rest sind Attrappen und Fahrzeuge der Sicherheitskräfte. Die Konvois nutzen zum Transport von Clausen nach Miesau mehrere „alternative Routen“, die zum Teil umstritten sind. Fortsetzung auf Seite 2

So durchqueren die Lkws auf ihrem Weg auch kleinere Ortschaften, vor allem aber Clausen. Außerdem fahren die Schwerlastzüge über den Schotter der neuen, noch nicht asphaltierten Autobahn A62. Laut Geil wurde die Holperstrecke bereits erfolgreich getestet. Der Chef des zuständigen Straßenbauamts dagegen hält das Vorhaben für riskant: Regenfälle könnten die Schotter

decke unterspülen, was zu gefährlichen Einbrüchen der Lkws führen würde.

Im US-Depot Miesau werden die C-Waffen zuerst zwischengelagert, dann auf Wagons umgeschlagen. Für die Zugtransporte nach Nordenham sind vorerst „sieben Nächte“ veranschlagt. Die Transporte haben, so Geil, keinen Einfluß auf die Fahrpläne der Bundesbahn.

Weder in Mainz noch in Bonn wurden die genauen Routen genannt. Pfälzische Giftgasgegner und Bahnexperten halten indes zwei Bahntrassen von Miesau nach Nordenham für besonders wahrscheinlich: eine über Mannheim, Mainz, Düsseldorf, Hamm und Delmenhorst; die andere über Mannheim, Darm

stadt, Frankfurt, Fulda, Göttingen, Hannover und Delmenhorst.

Um Konvoi und Züge vor Terroristen zu schützen, hat Rheinland-Pfalz auch Einheiten des Bundesgrenzschutzes angefordert. Inklusive Polizei werden rund 1.000 Beamte den Transport von allen Seiten abschirmen, auch aus der Luft. Zudem kündigte Geil an: „Wir werden sämtliche Aktivitäten in der Region beochbachten.“ Das US-Depot Clausen wird bereits kommende Woche weiträumig abgesperrt und von der Polizei bewacht. Während die Konvois fahren, wird auch die gesamte Transportroute hermetisch abgeriegelt.

Für die Sicherheit sorgen neben Polizei und Bundesgrenzschutz vor

wiegend der militärische Katastrophenschutz von US Army und Bundeswehr. Nur im Falle eines Chemieunfalls wird er mit zivilen Kräften zusammenarbeiten, etwa mit dem ABC-Zug der Feuerwehr oder Sanitätern. Diese werden - genau wie die Polizei - erst ab Freitag informiert. Geil begründete dieses Zögern mit der Geheimhaltungspflicht. Die Kosten des in seinen Augen sicheren Abtransports schätzt er auf 38 Millionen allein für Bonn; die USA rechnen nochmals mit 50 Millionen Dollar. Geil sagte, es sei „eine Mär, daß der Abzug übereilt erfolge“. Eine „interministerielle Arbeitsgruppe“ in Bonn sei schon seit Oktober 1986 mit dem C -Waffen-Abzug befaßt gewesen.

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