: Berufsjugendliche in der Krise
■ Grünes Hearing zum Stiefkind Jugendpolitik brachte Verbände in Bredouille und Gespräch
Beim Thema Jugend-Verbands arbeit ist es exakt wie bei der kulturpolitischen Reihe „Lebendige Stadt“: Wenn die Frage heißt: mal geschenkt, daß die Behörde schweinisch ist, alle kaputtspart und spaltet, was wollen wir denn eigentlich inhaltlich?, dann folgen Krämpfe, Kämpfe, Dank und Wut auf die, die einen von der Clinchebene loseisen wollen. Seit Jahren kracht es verschärft im Bremer Landesjugendring. Anlaß: das Rangeln um die endlichen Stellen der Jugendbildungsreferenten. Wer sie hat, gibt nichts ab, vier Verbände traten aus, aus Protest und Verdacht, politisch über den Tisch gezogen zu werden, Evangelische Jugend, der katholische BDKAJ, Ring der Pfadfinder, Bund deutscher Pfadfinder, die Sportjugend war schon 1972 raus. Das Hearing, das ge
stern die Abgeordnete Helga Trüpel und Arnhild Moning für die Grünen in der Bremer Bürgerschaft organisierten, sollte, so Trüpel, die wohlfeile Inszenierung als Opfer beenden. Thema und Lobby der Jugendpolitik sollte durch öffentliche Diskussion gestärkt werde. Die Senatorin sollte es schwer bekommen, den Jugendplan, in dem die Arbeit der Verbände steckt, weiter auf Eis zu legen und herunterzusparen. Es sollte, so Prof. Franz-Josef Krahold von der Hochschule Bremen, damit brechen, „sprachlos zu bleiben bis zur Einigung untereinander.“
Die beredte Sprachlosigkeit regierte dennoch. Referat, Diskussion, Lauern hinter den Schutzwällen, rituelles Wadelbeißen. „Viele, die hier sitzen, leben von der Jugendarbeit, haben aber
nichts mehr gemein mit den Jugendlichen. Ich sehe keine Perspektive mehr für die Verbandsarbeit.“ Das war Axel Hillmann vom Sielwallhaus. „Seit 15 Jahren meldet sich immer jemand und sagt, es sind keine Jugendlichen da. Das ist auch ein Ritual, das ist mir zu einfach.“ Das war der Referent von eben, Prof. Lothar Böhnisch. Der hatte grade dagegen plädiert, sich weiter, wie in den letzten 20 Jahren „in die Tasche zu lügen, daß alles über Selbstorganisation geht und die Leute selber wissen, wo es lang geht.“ Es mache keinen Sinn, dem Konsum als lebensstilorganisierender Kraft nur hinterherzulaufen und etwa den Jugendlichen Raum zu geben zum Sich-sinnlos-Vollsaufen. „Müssen wir nicht eine bewußt elitäre Jugendarbeit betreiben und uns wieder
stärker auf die Jugendlichen konzentrieren, die bestimmte Räume suchen?“ „Er hat ja nichts Falsches gesagt“, murmelte der Jungdemokrat neben mir.
Aber auch nichts, was die 50 Anwesend-Abwesenden aus Dämmern und Mauern hervorgelockt hätte. Dann: Gelungene Vorstellung vierer sehr unterschiedlich Verbände, bullig -bürokratisch der Jugendsportbund, entsetzlich gutgemeint die Evangelische Jugend, Video-witzig Ronald von Ohlen vom BDP. Aber nach 3 Stunden zunehmend dies wattige Gefühl, abnehmend zu wissen, von wem eigentlich die Rede ist.
Dann endlich 20 real existierende Jugendliche, BesetzerInnen des Hauses in der Grünenstraße, die jede Nacht mit Räumung rechnen. Sie brauchen die
Wohnungen, entrollen Transparente, wollen Nutzungsverträge mit der und gegen die Bremische Gesellschaft. Die wolle, haben sie aus der Zeitung herausgelesen, Yuppie-Wohnungen dort hinstellen. Die Grünen sichern politische Unterstützung für Nutzungsverträge zu. Dann sind sie weg.
Dann endlich, belebt sich Konflikt und Versammlung. Franz Josef Krafeld hatte in seinem Referat die verkarsteten Verbände angegriffen. Die Erwachsenen wüßten selber immer weniger, wo es lang ginge. Deshalb sollten die Jugendverbände die Suchbewegungen der Jugendlichen unterstützen, anstatt zu versuchen, sie mit immer neuen Angeboten „reinzuholen“. Seine Frage: „An welchen Kriterien wollen wir uns eigentlich messen lassen?“ lockte
endlich den Vorsitzenden der DAG-Jugend und neuen Vorsitzenden des Landesjugendrings, Manfred Fischer, gegen all das Gerede aus der Defensive: Die Politik solle die Jugendverbände anerkennen und nicht auf die Idee kommen, die Förderung an Bedingungen zu binden. „Nicht die Jugendverbände sind in der Krise, sondern die Bremer Jugendpolitik.“ Die habe auch nur die Auseinandersetzung in die Jugendringe hineingetragen, um die Mittel anders verteilen zu können.“ Lebhafter Widerspruch von allen Seiten. Axel Hellmann: „Es ist Koketterie, zu sagen, die Jugendverbände sind nicht in der Krise.“ Unterm Strich: Redeanfänge und bekundete Bereitschaft der Ausgetretenen, auch des Sportbundes, zur Verständigung.
Uta Stolle
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