„Harrods“ in der Hand von Gaunern und Mafiosi?

Aber Untersuchungskommission der Regierung habe angeblich keine Ahnung von Finanzen  ■  Aus London Ralf Sotscheck

Dublin (taz) - Das größte Kaufhaus Europas ist im Besitz von Lügnern und Betrügern. Zu diesem Ergebnis kam eine Untersuchungskommission des britischen Ministeriums für Handel und Industrie.

Die Kommission war 1987 beauftragt worden, die Übernahme der Warenhauskette „House of Fraser“, zu der auch Harrods in London gehört, unter die Lupe zu nehmen. Die ägyptischen Fayed-Brüder hatten den Konzern im März 1985 für 615 Millionen Pfund (etwa 1,7 Milliarden Mark) gekauft. Die Kommission stellte nun fest, daß die Fayeds damals nicht nur das Ministerium und das „Amt für lauteren Wettbewerb“ belogen hatten, sondern selbst ihre eigenen Berater und den Aufsichtsrat sowie die Aktionäre der Kaufhauskette. Die Gebrüder Fayed haben „in unredlicher Weise ihre Herkunft, ihren Reichtum, ihre Geschäftsinteressen und ihre Geldquellen falsch dargestellt“, heißt es in dem 752 Seiten starken Bericht, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Sogar ihre Geburtsurkunden seien gefälscht.

Dennoch erklärte der Minister für Handel und Industrie, Nicholas Ridley, am Mittwoch abend vor dem Unterhaus, daß er keine Schritte gegen die Fayeds einleiten werde, weil das nicht im öffentlichen Interesse liege. Mit der Veröffentlichung des Berichts habe er seine Pflicht getan, sagte Ridley. Diese Entscheidung löste nicht nur bei der Opposition, sondern auch bei vielen konservativen Hinterbänklern wütende Reaktionen aus. Der Tory-Abgeordnete Anthony Nelson sagte: „Es ist sehr frustrierend, daß diese Gauner damit durchkommen sollen. Sie müßten eigentlich als unerwünschte Ausländer deportiert werden.“ David Steele von den Liberalen warf Ridley vor, er billige eine „Geldwaschanlage, die jederzeit von Mafia-Bossen und Drogenhändlern genutzt werden kann“. Robert Sheldon, der Vorsitzende des parlamentarischen Rechnungsprüfungsausschusses, beantragte gar Enteignung: „Die Fayeds haben das Kartellamt und das Ministerium durch Lug und Betrug hinters Licht geführt. Warum sollten wir ihnen gestatten, ihr Vermögen zu behalten?“

Roland Rowland von der Lonrho-Gruppe, zu der die Sonntagszeitung 'Observer‘ gehört, kündigte gestern gerichtliche Schritte gegen die Fayeds an. Rowland hatte 1985 versucht, „House of Fraser“ in seinen Besitz zu bringen, war jedoch vom Kartellamt daran gehindert worden. Erst drei Tage, nachdem die Fayeds das Konsum-Flaggschiff übernommen hatten, hob das Kartellamt das Verbot gegen Lonrho auf - zu spät. Rowland veröffentlichte Teile des Untersuchungsberichts bereits in der vergangenen Woche in einer Sonderausgabe des 'Observer‘.

Die Brüder Fayed reagierten auf den Bericht mit scharfen persönlichen Angriffen auf die beiden Leiter der Untersuchungskommission, Henry Brooke und Hugh Aldous. In ihrer Presseerklärung behaupteten sie, Brookes bisherige Erfahrung beschränke sich auf das Gebiet des medizinischen Amtsmißbrauchs, und Aldous hätte in seinem Leben noch keine Erfahrungen mit finanziellen Transaktionen dieser Größenordnung gemacht. Der Bericht sei daher wertlos.

Harrods‘ Pressesprecher Michael Cole sagte: „Wir finden das Dokument schockierend. Die Kommission hat ihre Kompetenzen bei weitem überschritten.“ Die Ausdrücke, die in dem Bericht verwendet werden, seien unparlamentarisch. Cole wies Andeutungen in dem Bericht zurück, daß der Sultan von Brunei möglicherweise hinter der übernahme des „House of Fraser“ stehe. „Es gibt nicht den kleinsten Beweis für die Anschuldigungen der Kommission“, sagte Cole, „nicht mal einen Strafzettel für falsches Parken.“

Wirtschaftsexperte Peter Rodgers vom 'Independent‘ stimmte Cole teilweise zu. Er bezeichnete den Bericht als „wunderbare Lektüre“, die zwar literarisch wertvoll sein möge, es jedoch an beweiskräftiger Analyse fehlen lasse. Als Illustration zitierte Rodgers den Schlußsatz des Berichts: „Lügen waren die Wahrheit, und die Wahrheit war eine Lüge.“