piwik no script img

„Das Ding“ oder nobel geht die KPI zugrunde

Beim Wende- und Neugründungsparteitag der italienischen Kommunisten kommt kaum Diskussion auf / Katzenjammer über die interne Spaltung der Partei / Wehmütige Erinnerung an die monolithischen Zeiten / Nur die Frauenbewegung hatte etwas vorzuschlagen  ■  Aus Bologna Werner Raith

Das Rednerpult im Saal des Bologneser Sportpalastes erschien dem BBC-Reporter wie der Ausstiegsturm eines U-Boots. Die SprecherInnen auf dem KPI-Kongreß guckten eher verschüchtert über den Rand des Rundlings zu den Delegierten herunter.

Zusammenschrumpeln und aufblähen - das ist wohl die Metapher für diesen außerordentlichen Parteitag der KPI. Die Positionen waren schon vorher festgeklopft, eine wirkliche Diskussion fand unter den Platzhirschen nicht mehr statt: auf der einen Seite Achille Occhetto, der die „inhaltliche Leere“ (so sein unmittelbarer Gegenredner Aldo Tortorella), „die intellektuellen Löcher“ (so der Herausgeber des Ideologie-Magazins Albert Asor Rosa) mit drei Stunden Redefluß zu verdecken suchte; auf der anderen Seite die Anhänger des letzten Charismatikers der Partei, Pietro Ingrao, die zwar auch an eine „radikale Wende“ denken, diese aber mit ihrer „traditionsreichen KPI“ durchführen wollen und nicht mit einer nebulösen Neuformation.

Die Positionen selbst sind so weit auseinander wie vordem und sie sind es nicht aufgrund inhaltlicher Auseinandersetzungen, sondern gerade weil solche Debatten völlig fehlen.

Allenfalls die Frauen, die „die Stellung der einzelnen sozialen Gruppen in der Gesellschaft neu bestimmen wollen“ (so die Linksunabhängige Carol Beebe) bringen noch Argumente. Doch die gehen in den Diskussionen um „das Ding“ fast vollständig unter.

„Das Ding“, „la cosa“: das ist der neue Name, den die Neuformation bekommen soll. Occhetto und seine Anhänger weigern sich, überhaupt noch vom Partito Comunista Italiano zu sprechen, sie nehmen nicht einmal die Abkürzung PCI in den Mund. Da aber auch der neue Name erst in einer späteren Mitgliederbefragung eingeführt werden soll - wie auch das neue Parteisymbol anstelle von Hammer und Sichel -, gilt die Wende-Formation derzeit eben nur als „la cosa“.

Daran halten sich denn auch unten im Plenum die zur Wende entschlossenen Delegierten, während ihre Gegner weiter tapfer von „unserer KPI“ sprechen, wohl wissend, daß die nach diesem Kongreß - Occhetto hat unter den Stimmberechtigten eine Zweidrittelmehrheit - nicht mehr bestehen wird. Doch diese Sprachdifferenz ist im Grunde auch schon das Einzige, was die Bataillone des Fußvolkes voneinander trennt.

Ansonsten sitzt die übergroße Mehrheit der Delegierten mit Gesichtern da, als sei Großtrauer angesagt; die Gefolgsleute tuscheln unten herum, daß das alles so furchtbar sei, daß man doch, „irgendwie“, das Ganze auch anders hätte machen sollen, wie man's früher halt gewohnt war, wo sich die Herren in den Führungsetagen zuerst geeinigt und die Aula dann dem zugestimmt hatte. Ein wirkliches Verständnis, worum es geht, bringt kaum einer der Abstimmer mit.

So wird das große Wende-Manöver wohl numerisch so stattfinden, wie es die Vorstandsmehrheit will, werden am Samstag nachmittag die Zweidrittelmehrheit der Occhetto -Freunde unter den Delegierten die Einleitung einer „konstituierenden Phase der Sammelbewegung der gesamten Linken“ beschließen. Und die Delegierten werden nach Hause reisen und noch immer nicht wissen, welches „Ding“ sie da eigentlich beschlossen haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen