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Eppelmann zieht Bilanz der Regierungsarbeit

Am Montag Akteneinsicht in der Angelegenheit Schnur / „Das ist ein ganz mieses Unternehmen“ / Rainer Eppelmann beklagt den Verlust eigener politischer Kultur der DDR / Aber: „Die Regierungsarbeit war ein vergnügliches Unternehmen“  ■  Aus Ost-Berlin Walter Süß

Eigentlich wollte Rainer Eppelmann, Minister ohne Geschäftsbereich als Vertreter des „Demokratischen Aufbruchs“, auf dieser schon länger geplanten Pressekonferenz über seine Erfahrungen in der Regierung Modrow berichten. Durch die jüngsten Beschuldigungen gegen den Vorsitzenden seiner Partei, Wolfgang Schnur, wurden dann die Akzente anders gesetzt. Sehr viel neue Informationen hatte Eppelmann in dieser Frage nicht zu bieten: Der Stand in der „Angelegenheit Schnur“ sei, daß „die einen sagen, da gibt's was, und der Beschuldigte bestreitet das“. Mehr Klarheit sei vielleicht am Montag zu gewinnen, wenn Einsicht in Akten in der Normannenstraße, in der ehemaligen Stasi -Zentrale, genommen werden könne. Ob es sich dabei um entlastendes oder um belastendes Material handle, wisse er nicht. Eppelmann sah sich nicht in der Lage, über die Anschuldigungen gegen seinen „Freund Schnur“ aus dem Rostocker Bürgerkomitee, dem er ehrenhafte Motive bescheinigte, ein Urteil abzugeben. Heftige Attacken richtete er aber gegen die Presse, die seit Wochen hinter Schnur her sei. Das sei ein „ganz mieses Unternehmen“.

Beim eigentlichen Thema seiner Pressekonferenz überraschte Rainer Eppelmann die anwesenden Journalisten mit der Feststellung, die Regierungsarbeit sei „vergnüglich“ gewesen. Die Arbeit sei von großem gegenseitigem Respekt getragen und vollziehe sich in konstruktiver Atmosphäre. Hans Modrow, vor dem er „persönlich große Hochachtung“ habe, sei als „ehrlicher Makler“ aufgetreten. Leider sei der Spitzenkandidat der PDS „in der falschen Partei“. Zu den Perspektiven nach dem 18.März erklärte Eppelmann, ihm wäre am liebsten, wenn diejenigen, die die letzten 5 oder 10 Jahre in der Opposition gearbeitet hätten (also die Bürgerbewegungen, der DA und die SPD), die künftige Regierung stellen würden. Auf Nachfrage zählte er zu diesen Wunschpartnern - wenn man sich auf ein gemeinsames Programm einigen könnte - auch die Vereinigte Linke. Doch, obwohl es ihm „leid (tut) um die Bürgerbewegungen“, die Regierung wird wahrscheinlich ganz anders aussehen. In der „Allianz“, zu der auch der DA gehört, werde wohl die CDU die stärkste Partei werden. Eine künftige Regierung werde - ebenso wie schon die Regierung Modrow - auf jeden Fall die Pflicht haben, als „Anwalt für sechzehn Millionen DDR-Bürger“ in die Vereinigungsverhandlungen mit der BRD zu gehen. In diesem Zusammenhang verteidigte Eppelmann ausdrücklich die Bildung einer Treuhandgesellschaft für das Volkseigentum, gegen die aus Bonner Regierungskreisen heftig gegiftet worden war.

Auf die Frage der taz, ob ihm, der noch im Januar Sympathien mit der Sozialdemokratie geäußert habe, nicht der Wahlkampfstil des DA Bauchschmerzen bereite, erklärte Rainer Eppelmann, solche Sympathien habe er noch heute. Der Wahlkampfstil „mancher Parteien“ bereite ihm Probleme, doch all das sei eine Folge der Maueröffnung am 9.November, die die alte SED-Führung zu verantworten habe. Er hätte „gedacht, daß ein Stück mehr politische Eigenständigkeit existiert“, doch die Mehrheit der DDR-Bürger wolle offenbar eine Parteienlandschaft wie in der Bundesrepublik. „Traurig“ sei, „daß es keine Chance gab, in der DDR eine eigene politische Kultur zu entwickeln“.

Die CDU ist ihrem Parteifreund Schnur inzwischen mit einer heftigen Attacke gegen die „Verleumdungskampagne“ (Rühe), aber ohne Aussagen zur Sache zu Hilfe geeilt. Einzige Ausnahme: Der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium O.Hennig, Vorsitzender der schleswig -holsteinischen CDU, erklärte, Schnur habe die Bundesregierung jahrelang über politische Strafverfahren informiert und damit eine „lebenslange Freiheitsstrafe“ riskiert.

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