piwik no script img

Polen bleibt unzufrieden

■ Staatspräsident Jaruzelski und Premier Mazowiecki üben in Paris deutliche Kritik an Bonner Position / Bonn dämpft Erwartungen auf schnellen Beitritt der DDR

Paris/Bonn (afp/dpa) - Als „völlig unzureichend“ hat Polens Staatspräsident General Jaruzelski die jüngste Resolution der Bonner Koalition zur Frage der polnischen Westgrenze bezeichnet. Er befürchte, daß eines Tages ein „riesiges und mächtiges Deutschland“ sich das letzte Wort in dieser Frage vorbehalten werde, sagte Jaruzelski gegenüber der französischen Zeitung 'Liberation‘ zum Auftakt der offiziellen Gespräche der Warschauer Führungsspitze in Paris am Freitag. Scharf kritisierte das polnische Staatsoberhaupt, daß die Oder-Neiße-Grenze in der Bonner Erklärung nicht namentlich erwähnt worden sei. Deshalb sei die Resolution nur „ein ganz kleiner Schritt in die richtige Richtung“. In einem Gespräch mit 'Le Monde‘ stellte Premierminister Mazowiecki die polnische Position klar: Ein Vertrag müßte von beiden deutschen Regierungen noch vor der Vereinigung paraphiert und nach der Vereinigung ratifiziert werden. Die BRD wolle den Vertragsabschluß erst nach der Vereinigung - darin liege der essentielle Unterschied (siehe Dokumentation auf Seite 10).

US-Präsident George Bush und die britische Regierungschefin Margaret Thatcher haben dem Bonner Regierungssprecher Vogel zufolge die jüngste Grenzresolution des Bundestages begrüßt. Frau Thatcher habe die vorgeschlagene gemeinsame Erklärung beider deutscher Parlamente nach der DDR-Wahl als „höchst staatsmännische Schritte, die von großem Nutzen sein können“, bezeichnet. Bush habe die Initiative als sehr positiven und wichtigen Schritt begrüßt. Alle Nato-Partner hätten am Vortag beim Besuch des Kanz lers in Brüssel die Resolution begrüßt.

Regierungssprecher Vogel betonte weiterhin, vor einem offiziellen Beitrittsantrag der DDR müßten Gespräche zwischen beiden deutschen Regierungen über Bedingungen und Übergangsregelungen geführt werden. Der in Ottawa vereinbarte Zwei-plus-vier-Mechanismus - die Konsultationen der beiden deutschen Staaten und der vier Siegermächte USA, Frankreich, Großbritannien und Sowjetunion - sollten synchron verlaufen, „daß es keine zeitlichen Differenzen zwischen internen und äußeren Aspekten der deutschen Einheit gibt“. Damit sind Erwartungen über einen raschen Beitritt nach Artikel 23 des Grundgesetzes deutlich gedämpft worden. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Hanns Schumacher, betonte: „Wir wollen und brauchen die Unterstützung unserer Partner.“ Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher selbst hatte am Vorabend in einer in Halle aufgezeichneten Fernsehsendung unterstrichen, der Artikel 23 „wird am Ende oder kann am Ende“ von Rahmenvereinbarungen stehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen