: Mit Regenwurm gegen tote Böden
■ Bakterien und Pilze sollen Öl aus verschmutzten Böden fressen / „Intensivrotte“ macht Erde halbtot
Bakterien, Pilze und Hefen, die zu Milliarden in einer Handvoll Erde leben, fressen Öl. Sie knacken die schmierigen Kohle-Wasserstoffverbindungen, die bei Ölunfällen oder während jahrelanger industrieller Schlamperei ins Erdreich gesickert sind. In den letzten Jahren hat sich eine ganze Reihe von Firmen auf diese biologische Boden-Reinigung spezialisiert, in Bremen die von Umweltschützerm kritisierte Firma „Umweltschutz Nord GmbH & Co.“, die zwar noch keine endgültige Genehmigung hat, aber nach diesem Verfahren bereits Böden behandeln darf.
Das ganze funktioniert so: Der ölverdreckte Bodern wird auf spezielle Beete gehäuft, angeheizt und immer wieder umgeworfen, damit die Mikro-Organismen allerbeste Bedingungen zum Leben und Ölfressen haben. Die neueste Entwicklung: In ihrer Produktionsstätte in Ganderkesee betreibt „Umweltschutz Nord“ einen „Großraumfermenter“, eine riesige Röhre, in die das Erdreich eingebracht und durch zwei gegenläufige Schnecken ständig
in Bewegung gehalten wird. So weit, so effektiv. Doch bei der Wiederverwendung der Böden gibt es Probleme: Pflanzen werden braun und lassen die Köpfe hängen. BiologInnen an der Bremer Universität haben jetzt herausgefunden, daß die biologisch gereinigten Böden zwar sauber, aber auch halbtot sind: Bakterien und Pilze leben, aber die höheren Bodentiere sind dezimiert.
Höhere Bodentiere, das sind zum Beispiel Springschwänze und Milben, also kleinste Insekten und Spinnentiere, die meist so winzig sind, daß man sie nur unter dem Mikroskop erkennen kann. Regenwurm und Maulwurf, die die WissenschaftlerInnen ebenfalls in die Kategorie dieser höheren Bodentiere rechnen, sind dagegen wahre Giganten. Dieses Gewimmel in der Krume ist für den Boden lebenswichtig, denn die Springschwänze und Milben speichern Nährstoffe (Stickstoffverbindungen) in ihrem Körper. Sie nehmen sie aus abgestorbenen Pflanzen auf und halten die lebenswichtigen Substanzen in ihren winzigen Körpern bis zum
nächsten Frühjahr bereit, wenn die Pflanzen wieder sprießen und die Nährstoffe wieder brauchen. Wenn dieses Bodenleben fehlt, konnen die wertvollen Verbindungen vom Regen ausgewaschen werden.
Der Regenwurm macht den Boden locker, er frißt ihn und kackt ihn krümelig wieder aus. Das ist für die Pflanzen günstig und gibt dem Boden Stabilität. Was den Bodentieren in der „Intensiv-Rotte“ oder im „Großraumfermenter“ den Garaus macht ist die intensive mechanische Behandlung. „Dadurch werden die Tiere schwer gestört oder ganz abgetötet“, sagt Biologe Michael Puschnig.
Was tun? So tot der Boden ist, er wird von alleine wieder gesund, wissen die BiologInnen. Aber das kann schon mal Jahrzehnte dauern. Johannes Schettler-Wiegel, kann sich deshalb vorstellen, daß man die vom Öl befreiten Böden nachbehandelt. Etwa indem man Regenwürmer aussetzt, oder Komposte untermischt, die viele Bodentiere enthalten. „So kann man eine Über
gangsgesellschaft etablieren, die den Boden stablisiert, bis er sich in seine Umgebung eingepaßt hat.
Soweit erste Ergebnisse des Forschungsauftrags, der vom Bremer Senat und von „Umweltschutz Nord“ gemeinsam finanziert wird. Die BiologInnen haben sich darüberhinaus vorgenommen, neue Kriterien für die Qualität ölverschmutzter Böden nach der Reinigung zu entwickeln. Die bisherigen, rein landwirtschaftlichen Maßstäbe für gute Erde hält Michael Puschnig für überholt: „Da ging es im wesentlichen nur um den Nährstoffgehalt. Wir wollen die Gesamtheit des Bodens berücksichtigen.“
mw
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