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Meisterabenteuer nur im Kopf

Nach krampfigem Spiel trennen sich Frankfurt und Kaiserslautern 1:1 / Torwart Uli Stein bleibt am Main  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Die Karten waren an diesem Sonnabend für die Eintracht aus Frankfurt gut gemischt: Die heißesten Anwärter auf den Titelgewinn, die Bayern aus München, mußten auswärts beim HSV antreten. Und die heißesten Verfolger der Männer von der Isar, eben die Männer vom Main, erwarteten zu Hause im Waldstadion den schwer angeschlagenen 1. FC Kaiserlautern: „Alles palletti!“ Eintracht Trainer Jörg Berger träumte schon vor der Begegnung gegen die Pfälzer vom „Topspiel“ gegen die Bayern am kommenden Wochenende, denn nur ein winziger Punkt trennte die Frankfurter noch von den Münchnern.

Doch erstens kommt es anders - und zweitens als man denkt: Die Bayern spielten in Hamburg clever auf, schossen drei Tore und entführten beide Punkte aus der Hansestadt. Die Eintracht lieferte dagegen 70 Minuten lang Krampf statt Kampf und Klasse, „gewann“ am Ende glücklich einen Punkt und überließ den anderen den überglücklichen Pfälzern, die im Waldstadion Freudentänze aufführten, als wären sie dem Abstiegsgespenst schon entkommen. Aus dem „Topspiel“ am kommenden Samstag in München wird also nichts werden, denn die Bayern haben jetzt wieder zwei Punkte Vorsprung.

Dabei trumpften die Frankfurter in den ersten zwanzig Minuten der Partie gegen die Lauterer vehement auf. Jörn Andersen und Dieter Eckstein überrannten mehrfach die Abwehrkette der Pfälzer und zwangen deren Torwart Gerald Ehrmann zu riskanten Ausfällen. Als der Keeper bei einem dieser Ausflüge aus dem Strafraum nach den Beinen von Andersen grabschte, forderten rund 28.000 „Schiedsrichter“ auf den Rängen die rote Karte für den „roten Teufel“. Doch Ehrmann hatte den Norweger, wie dann im Fernsehen zu sehen war, knapp verfehlt.

Der richtige Schiedsrichter Heitmann ließ deshalb zu Recht weiterspielen - und die Eintracht drückte weiter aufs Tempo. In der 13. Minute schoß Ralf Falkenmeyer knapp über das Tor. Und nur wenig später scheiterte Andersen mit einem Kunstkopfstoß im Strafraum an der Querlatte.

Doch dann war Schluß mit dem Rasenzauber der Frankfurter, denn die Pfälzer begannen Mitte der ersten Halbzeit eine Tugend zu entfalten, die der Eintracht bei ihrem Höhenflug durch die Saison abhanden gekommen zu sein scheint: Die Lauterer kämpften mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln um jeden Ball, säbelten durchgegangene Eintrachtler gleich reihenweise um und legten den Frankfurter Spielmacher Uwe Bein an die Kette.

Der wollte nicht begreifen, daß es aus war mit Hackentricks und geschlenzten Pässen und daß der Sieg nur über die Annahme des von den Pfälzern geworfenen Fehdehandschuhs hätte errungen werden können. So wurde Bein zur Inkarnation der „launischen Diva“ vom Main - und machte im Mittelfeld keinen Stich mehr. Gründel hatte sowieso einen rabenschwarzen Tag erwischt und Falkenmeyer - mit dem Atem von Labbadia, Foda und Roos im Nacken - spielte Fehlpaß um Fehlpaß. So kam, was kommen mußte: In der 39. Minute wuchtete der Jugoslawe Demir Hotic das Leder aus 25 Metern Entfernung unbedrängt und unhaltbar für den guten Uli Stein ins Netz.

Panik brach aus, bei den Frankfurtern, die in der Folge noch planloser agierten. Die Mannschaft war auf Sieg programmiert - und jetzt drohte die erste Niederlage nach elf Spielen ohne Schmach.

„Die hätten sich totspielen können, ohne ein Tor gegen uns zu erzielen“, meinte denn auch Kaiserslauterns neuer Trainer Kalli Feldkamp. Und der muß es schließlich wissen, denn Feldkamp war vor Berger Trainer der Eintracht und wurde dort - trotz Pokalgewinn - wegen Erfolglosigkeit kalt geschaßt. Und weil dem so war, ärgerte sich Feldkamp über die Maßen über seinen Spieler Axel Roos, obgleich der - insgesamt gesehen - nicht schlecht gespielt hatte.

Roos holte in der 55. Minute Heinz Gründel von den Beinen. Das wäre in diesem, von den Lauteren ohnehin beinhart geführten Spiel nichts besonderes gewesen (drei gelbe Karten nur für die „Teufel“). Doch Roos trat in Ehrmanns Strafraum nach dem Geläuf des schönen Mannes aus Frankfurt. Ligatorschützenkönig Andersen schoß den fälligen Elfmeter unhaltbar ein - und es stand 1:1 unentschieden.

Danach passierte absolut nichts mehr im Waldstadion. Nur noch die Sturmböen, die Toilettenpapierfahnen und Transparentfetzen über den Rasen trieben, sorgten für Kurzweil beim verstimmten Publikum. Beifall gab es beim Abgang ausschließlich für Uli Stein, der in der vergangegen Woche - nach hartem Vertragspoker - für weitere zwei Jahre bei der Eintracht unterschrieben hatte: „Uli-Nationale“ jubelten die Fans aus der Westkurve.

Trainer Berger, der später „Probleme der Eintracht bei aggressivem Spiel des Gegners“ analysierte, eilte mit grimmigem Gesicht in die Katakomben. Meisterschaftsträume hatte der Mann ohnehin bislang als Schäume bezeichnet. Berger: „Es gibt Leute, die haben wohl vergessen, wo wir vor einem Dreivierteljahr standen.“ Recht hat er, der „Berjer“. Aber gegen die Bayern, da muß er die Adler wieder fliegen lassen, damit die Eintrachtler weiter vom UEFA-Cup reden und vom Meistercup träumen können. Seit Heller wissen wir doch, daß die großen Abenteuer im Kopf stattfinden - „und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo“.

FRANKFURT: Stein - Binz - Roth, Körbel - Bindewald, Gründel, Bein, Falkenmayer, Studer (76. Sievers) - Andersen, Eckstein (71. Turowski)

KAISERSLAUTERN: Ehrmann - Foda - Lutz, Stadler - Scherr, Roos (77. Dooley), Hotic, Emig, Schupp - Labbadia, Allievi (90. Hoos)

Tore: 0:1 Hotic (39.), 1:1 Andersen (56./11m.)

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