Die SPD folgt Lafontaine ergeben - überallhin

■ Kommission „Fortschritt 90“: Abbau der Sozialleistungen für Übersiedler / Und für westdeutsche Rentner, Arbeitslose und Invaliden Verzicht auf soziale Grundsicherung / Bedingung für Kanzlerkandidatur jetzt erfüllt / Nur „bezahlbare“ Reformversprechen im Wahlkampf der SPD

Bonn (dpa) - Die Sozialdemokraten haben sich in der Deutschlandpolitik und bei den künftigen Wahlaussagen hinter die Forderungen ihres voraussichtlichen Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine gestellt. Die von Lafontaine geleitete Kommission „Fortschritt 90“ zur Ausarbeitung eines Regierungsprogramms einigte sich auf die Forderung, alle Anreize für die Übersiedlung aus der DDR abzuschaffen.

Damit sind weitere Voraussetzungen erfüllt, die Lafontaine für die Annahme der Kanzlerkandidatur genannt hat. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende will seine Entscheidung am 19. März, einen Tag nach der DDR-Wahl, bekanntgeben. An seiner Annahme gibt es nun kaum noch Zweifel.

Lafontaine zeigte sich am Samstag nach der zweitägigen Klausursitzung des 22köpfigen Gremiums sehr zufrieden. Die im Oktober 1988 eingesetzte Arbeitsgruppe, die am 24.Mai über alle Ergebnisse abstimmen wird, habe sich auch angesichts der deutsch-deutschen Entwicklung darauf geeinigt, auf sogenannte kostspielige Vorhaben im Sozialbereich zu verzichten.

So soll die Forderung nach einer sozialen Grundsicherung im Alter, bei Arbeitslosigkeit und Invalidität nicht in das nächste SPD-Wahlprogramm aufgenommen werden. Bei der Absicherung des Pflegerisikos verständigte man sich auf ein neues Konzept: Anstelle eines bisher vorgesehenen staatlichen Leistungsgesetzes soll nun eine versicherungsrechtliche Lösung treten, wie sie auch Pläne von Sozialminister Norbert Blüm (CDU) vorsehen. Dafür soll ein eigener Zweig in der Sozialversicherung geschaffen werden, um die auf jährlich mindestens sechs Milliarden Mark veranschlagten Kosten innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung durchschaubar zu machen.

Rückendeckung erhielt der saarländische Ministerpräsident auch in der Deutschlandpolitik: Die Kommission sprach sich für die Abschaffung der Eingliederungshilfen und der Auffanglager für Aus- und Übersiedler aus. Wer nach Öffnung der Grenze noch aus der DDR komme, soll in der Bundesrepublik grundsätzlich keinen Anspruch mehr auf Sozialhilfe haben. Auch bei den Rentnern sollen die Anreize zum Übersiedeln durch Streichung des Fremdrentengesetzes wegfallen. Statt dessen sollten Renten aus der DDR in die Bundesrepublik gezahlt werden und umgekehrt.

An dem von der Kommission bereits beschlossenen Konzept für einen ökologischen Umbau der Industriegesellschaft, der vor allem durch höhere Energieabgaben bei gleichzeitiger Rückgabe der Mehreinnahmen an die Bürger durch Steuersenkungen erreicht werden soll, könne die SPD auch nach einer Vereinigung unverändert festhalten.