: Raus aus der gemütlichen Kiste
■ Lebendige Stadt 3.Teil: Die Stadt braucht ein künstlerisches Reizklima
Zehn Künstler und Kunstorgani
satorInnen auf der Bühne und ein voller Saal inclusive Senator Scherf und Deputationsprimus Fluß fanden sich Sonntag zum dritten kulturpolitischen Hearing „Lebendige Stadt“ im Theater am Leibnizplatz. Thema: Kunst, bildende. Das Podium, sich wie immer nicht scherend um etabliert oder nicht, vereinte alle von „der ältesten arbeitenden Künstlergalerie Gruppe Grün (Peter-Jörg Splettstoesser) bis zu HFK-Rektor Jürgen Waller, vom Neuen Museum Weserburg (Thomas Deecke, Hanne Zech) bis zu Wolfgang Stemmer, Initiator einer geschlossenen und einer Raum-bedrohten Foto -Galerie. Unter anderem.
Das Podium hatte sich diesmal vorher auf einen gemeinsamen Forderungskatalog geeinigt (siehe Kasten.), was Ergebnisse sicherte und Phantasiebildung einschränkte. Verbleibendes Hauptthema: Das kunstbehin
dernde Klima in Bremen. Renate Pauling, nach Köln emigrierte Künstlerin: Man liegt darin wie in einer „Kiste“, sehr gemütlich und mit der Alternative, das Kopfkissen so oder anders herum zu wenden. Thomas Deecke wandte sich gegen den weitverbreiteten Bremer Minderwertigkeitskomplex „Uns sieht man doch nicht“ und lockte mit der „national bedeutenden, international anerkannten Kunst“ seines entstehenden Museums in die Zukunft eines Kunstzentrums Bremen. Jürgen Waller wandte sich gegen die kunstverachtende Schule, und gegen Politikergerede wie das des Ex-Kunstsenator Franke „Bremer Mittelmaß“, gegen das er Weltkunst holen wollte. Konnte sich allerdings ein Wundern nicht verkneifen, daß Thomas Deecke nur auswärtige Sammler einbezöge, wo es in Bremen doch eine Menge guter gebe.
Stimmen aus dem Publikum fanden es genau die falsche Ein
stellung, daß immer andere und nicht die Künstler selber was zur Klimaverbesserung tun sollten. Eine Frau vermißte, daß die Künstler sichtbaren Einfluß auf die Stadt nehmen, so daß man plötzlich dächte: „Hoppla, da ist was anders“. Gegen diesen Angriff des „Beliebigen“ verteidigte die Qualität der Kunst Hanne Zech. Wie sie das so klar auseinanderhalte, fragte eine dagegen.
Thomas Deecke verwies auf einen Aufsatz im Katalog Soundso über den Qualitätsbegriff. (Das Volk, wenn es den Mund aufmacht, ist halt erschreckend leicht unter Niveau.) Auch die Aufforderung aus dem Publikum, das Podium möge sich zu dem Kunstrat befördern, den es fordert, bis vielleicht ein besserer gewählt würde, fand wenig Podiumsliebe.
Einer fragt, ob nicht zuviel Künstler auf den begrenzten öffentlichen Topf kämen. Später spricht eine von den Zuvielen: Sie hat die Kunsthochschule abgeschlossen und damit das Atelier verloren. Sie sucht, außer zum Sozialamt zu rennen, mit fünf gleich Depravierten nach einem Atelier, das es nicht gibt und das sie, gäbe es es, schwerlich zahlen kann.
Uta Stolle
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