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Billiglohnland DDR

■ DIHT: Gewerkschaftsgesetz und andere Regelungen müssen vom Tisch / Widerspruch zur Marktwirtschaft

Leipzig (dpa) - Die DDR muß nach Einschätzung der deutschen Wirtschaft vorerst ein Billiglohnland bleiben. Solange die Produktivität in der DDR wesentlich niedriger sei als in der Bundesrepublik, müsse über geringere Löhne ein Ausgleich geschaffen werden, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), Hans Peter Stihl, gestern auf der Leipziger Messe. Von der neuen DDR-Regierung erwartet Stihl, daß sie viele noch bestehende Hindernisse für die Einführung der sozialen Marktwirtschaft beseitigt. Der Weg dahin müsse noch „gepflastert werden“.

Scharf kritisierte Stihl das von der Volkskammer in der vergangenen Woche noch verabschiedete Gewerkschaftsgesetz, das nicht akzeptabel und ein echtes Investitionshindernis sei. „Das Ding muß vom Tisch“, sagte er. Das Gesetz schreibt ein Recht auf Arbeit sowie ein Streikrecht fest und räumt den Gewerkschaften auch Mitbestimmung bei unternehmenspolitischen Entscheidungen ein.

Auch andere von der DDR vorgelegte oder beschlossene gesetzliche Regelungen griffen zu kurz, seien halbherzig oder widersprächen dem Geist der Marktwirtschaft. Stihl empfahl der neuen Volkskammer nach der Wahl am 18. März, die Wirtschaftsgesetze der Bundesrepublik zu übernehmen, um der sozialen Marktwirtschaft eine gesicherte gesetzliche Grundlage zu geben. Dabei schloß er ausdrücklich auch das Kartellgesetz ein.

Der Startschuß für weitreichende unternehmerische Aktivitäten falle erst, wenn die soziale Marktwirtschaft in der DDR ohne Wenn und Aber eingeführt sei. Die Einführung der Währungsunion hält Stihl zum 1.Juli für möglich. Seiner Einschätzung nach könnten bis zu diesem Zeitpunkt auch die anderen gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden. Auf einen Umtauschkurs wollte sich der DIHT-Präsident nicht festlegen. Die Währungsunion müsse zeitgleich mit der Marktwirtschaft beginnen: „Neues Geld braucht ein neues Wirkungsfeld.“

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