: Flüchtlingswohnheim überfallen
■ Bewaffnet mit Äxten, Eisenketten und CS-Gas verwüstete eine Gruppe von Skins ein Ausländerheim in Essen / Der örtliche Flüchtlingsrat kritisiert „verheerende Wohnsituation“
Essen (taz) - Eine Gruppe von etwa 50 Skins hat in der Nacht zum Samstag ein Flüchtlingsheim im Essener Stadtteil Steele überfallen und mehrere Wohnungen im Erdgeschoß verwüstet. In dem Heim leben vor allem Libanesen und jugoslawische Sinti und Roma, denen als Flüchtlingen aus Krisengebieten Duldung gewährt wurde. Die Angreifer, die mit Äxten, Eisenketten, CS -Gas und Latten bewaffnet waren, beschimpften die Flüchtlinge mit Parolen wie „Ausländer raus“ und „Scheiß -Ausländer“.
Während die meisten BewohnerInnen in die oberen Stockwerke flohen, schmissen die Skins mit Flaschen und Steinen unten die Scheiben ein. Ein Kind erlitt Schnittverletzungen, zwei weitere mußten mit einem Schock ins Krankenhaus gebracht werden. Ein Libanese hatte versucht, mit den Skins zu reden: „Wir wollen nicht mit euch kämpfen, wir sind aus dem Libanon, wir haben genug gekämpft.“
Die Polizei, die mit mehreren Streifenwagen anrückte, nahm sieben Angreifer zur Personalienfeststellung mit, ließ sie anschließend aber wieder frei. Sie sollen wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung angeklagt werden. Alle sind um die 20 Jahre alt und wohnen in Steele oder benachbarten Stadtteilen. MitarbeiterInnen des Jugendamtes haben hier zwar verstärkt rechtsradikale Aktivitäten von Jugendlichen beobachtet, bisher aber keine Gewalttätigkeiten registriert. In der Nacht zum Sonntag erschienen nach Aussagen von BewohnerInnen erneut Skins vor dem Heim und randalierten. Als die Polizei anrückte, verschwanden sie von der Bildfläche.
Nach Erkenntnissen der Essener Polizei war dies der erste Überfall auf ein Flüchtlingswohnheim im Stadtgebiet. BewohnerInnen der Steeler Unterkunft berichteten jedoch von einem Überfall im letzten Jahr. In den heruntergekommenen Häusern lassen sich nicht einmal alle Haustüren abschließen, Männer aus dem Heim halten jetzt nachts Wache. Der Essener Flüchtlingsrat kritisierte die „verheerende Wohnsituation“ von de-facto-Flüchtlingen in der Stadt, die überall zu Konflikten führe. Es sei inkonsequent, die Flüchtlinge zu dulden, ihnen aber andererseits Arbeit, Hilfen bei der Wohnungssuche und Integration und einen sicheren Aufenthaltsstatus zu verweigern. Der Überfall sei eine Folge „dieser Politik der Inkonsequenz“.
bm
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